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Potsdam-Mittelmark: „Hoffentlich ha“ck keen vajessen!“

Zilles Ehrung zum 75. Todestag: Leichte Ironie für einen großen Satiriker

Zilles Ehrung zum 75. Todestag: Leichte Ironie für einen großen Satiriker Stahnsdorf - Den Kopf voller Güte, die Augen voller Schalk, stets mit Pinsel und Zeichenstift unterwegs, „Von NO bis Jwd“, wie Claire Walldorf in ihrem Nachruf klagenden Herzens sang, so ist Heinrich Zille seinem Berlin im Gedächtnis geblieben. Als er im August 1929 starb, erschrak diese Stadt, deren „Miljöh“ er scheinbar erst schuf. Abseits vom Wege liegt er auf dem Stahnsdorfer Südwestfriedhof begraben. Eine steinerne Tafel zu ebener Erde weist dorthin, wo einst 2000 seinen letzten Gang begleiteten – weil der zum Kunst-Professor der Akademie Berufene vergaß, seinen Wunsch nach Einäscherung aufzuschreiben, bekam er ein ordentliches Erdbegräbnis. Von zwei gewaltigen Rhododendron-Büschen umrahmt, ziert ein massiver Stein diese Stätte, August Kraus schuf ihm ein Relief, gewaltiger Schädel, blitzende Augen, Rauschebart, Tolle. Hier versammelten sich am Montag einige Dutzend Getreue, jenes bescheidenen Mannes zu gedenken, der vom „Pinselheinrich“ zu ihrem „Vater Zille“ aufstieg, weil Herz zu Herzen ging. Bürgermeister und Abgeordnetenhaus Berlins hatten ihrem 80. Ehrenbürger zum 75. Todestag einen hübschen Kranz spendiert, viele kamen mit Blumen. Die Ehrung selbst blieb einem belassen: In der Stabholzkirche und dann am Grab sprach Heiner Preetz-Zille gewogene und schöne Worte zu ihm - der Urenkel ehrte seinen Urgroßvater fröhlichen Herzens, sehr anrührend. Es war ein Bild voller Menschlichkeit, wie Heinrich Zille (1858-1929) es selbst immer wieder einforderte. Er lebte, was er meinte und half den Armen, wo immer er konnte. Er liebte die Menschen, sie liebten ihn, bis Jwd. Aus dem sächsischen Radebeul kommend, tat er sich anfangs in der Metropole schwer. Nachdem er seine ersten beiden Zeichnungen verkauft hatte, lebte er ständig in Angst, man könnte sie ihm zurückbringen. Kaufte die Nationalgalerie auch seine Arbeiten an, so nannte er sie nur „armselige Stricheleien“. Sein Fazit: „Ich hätte die Finger von der Kunst lassen sollen, aber das ist wohl mein Schicksal.“ Minderwertigkeitsgefühle hatte er auch im Umgang mit den akademischen Kollegen, er mied die Professoren, wo er nur konnte. Daheim fühlte er sich wohl, im vierten Geschoss eines Mietshauses. „Einfache Wohnung, einfaches Wesen“, so brachte es der Urenkel auf den Punkt. Sie war ihm Atelier und „Museum“ zugleich, bis zuletzt. Sein Miljöh blieben die einfachen Leute, wie er sie in ungezählten Arbeiten festhielt, die Kinder besonders. Und bekannte doch ganz zuletzt: „Eigentlich stehe ich abseits“. Sich treu bleiben, kein Widerspruch zwischen Worten und Taten, Menschlichkeit! Das waren seine Maximen. Ein Bekannter traf ihn zu Hause an einem Tisch voller Geldscheine. Zille steckte sie gerade in Umschläge, so half er ihm bekannten Armen. Und murmelte dabei: „Hoffentlich ha“ck keen vajessen!“

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