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KulTOUR: In den Schlingen des Lebens

Gerd Hellbardt und sein Sohn Kai stellen ab heute in der Galerie Töplitz aus

Werder (Havel) - Der Blick irrt über die Leinwand und findet kaum Halt. Auch die grellbunten Farben sind wie ein Aufschrei, der in Unruhe versetzt. Kai Hellbardts skurrile Bilderwelt ist eine Explosion der „Unterwelt“. Helden der Kindheit verbünden sich mit Obsessionen der Jugend und heutigen Verrücktheiten. Die ineinander verschlungenen Metamorphosen von Mensch und Getier scheinen förmlich aus dem Rahmen zu platzen. Das mit feinem Pinsel detailbesessen auf die Leinwand gemalte Verwirrspiel ist wie Treibsand, der das Unterbewusste sogartig an die Oberfläche spült. „Ich muss aufpassen, dass ich beim Malen nicht den Boden verliere“, sagt der Künstler. Wenn er sich in einem stundenlangen „Rausch“ frei malt, sei er danach so sensibilisiert wie nach einer Fastenkur. Und es passiere auch schon mal, dass er seine eigenen obskuren Figuren hinter der nächsten Straßenecke auftauchen sieht. „Inzwischen dosiere ich die Arbeit auf acht bis zehn Stunden am Tag“, erzählt er in der Galerie Töplitz, wo er ab heute zum ersten Mal gemeinsam mit seinem Vater ausstellt.

Gerd Hellbardts Leidenschaft für die Malerei wurde aus der Not geboren. Bevor er zum Pinsel griff, stand er als lyrischer Bariton am Cottbuser Theater auf der Bühne. Dann tingelte er im Auftrag der Künstler- und Gastpieldirektion der DDR singend durchs Land. Als das nicht mehr lief, entwickelte der Berliner drei Kinderprogramme, in denen er als Clown auftrat. Seine Frau assistierte und Klein-Kai reiste begeistert mit von Rostock nach Suhl. Bis der Familie nach zehn Jahren „Wanderschaft“ die Arbeit und Steuernummer entzogen wurde. Die „pädagogisch wertvoll“ eingestuften Programme waren plötzlich nicht mehr recht. „Oft saßen in der letzte Reihe Mitarbeiter der Staatssicherheit und mokierten, dass in unseren Programmen nicht das drin war, was sie erwarteten.“ Plötzlich mittellos begann der sein Clowngesicht verlorene Entertainer Miniaturbilder zu malen, um die Familie irgendwie über Wasser zu halten. Als dann auch noch der inzwischen erwachsene Sohn seinen Studienplatz an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee verlor – „weil ich mich politisch nicht richtig einreihte“, wie er betont – stellten die Hellbardts einen Ausreiseantrag.

Vier Jahre ließ man sie schmoren, bis sie sich 1988 auf den Weg nach Stuttgart machen durften. Eine Zeit der finanziellen Entbehrungen, die aber den künstlerischen Stachel löckte. Auch Kai, der schon seit seinem sechsten Lebensjahr malte, nahm Porträt-Aufträge entgegen, um Miete und Krankenversicherung bezahlen zu können. Als die Mauer fiel, kehrte er alsbald nach Berlin zurück, brach mit dem Realismus und Surrealismus und machte sich auf einen ganz eigenen Weg. Die großen kompakten Formen wurden immer filigraner und figürlicher. Dafür wuchs die Bildgröße.

Der Vater blieb ebenfalls bei der Malerei, restaurierte zudem die Bilder anderer Künstler. Gerd Hellbardt lässt sich, wie sein Sohn, nicht festlegen. Mal arbeitet er fast fotorealistisch, dann wieder ganz frei. Auf seinen in Töplitz gezeigten Werken überlagern sich die Lasuren, und aus den Zufallsformen erwachsen Häuser, Boote oder Palmen. Zudem kann der Betrachter in seiner farb-fröhlichen Serie „Goldene Nuggets“ tiefer schürfen. Vater wie Sohn lassen sich in ihrer Malerei treiben und sind genau in dieser losgelösten Welt vor Anker gegangen.

Vernissage heute 17 Uhr, zuvor um 16 Uhr gibt es in der Dorfkirche nebenan ein Konzert mit dem Duo Amortal. Es spielt Barock-Werke und Tango. Die Ausstellung läuft bis 31. August.

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