zum Hauptinhalt

Von Henry Klix: „Kein Lebensmittelskandal“

Havelaale sind leicht mit Dioxinen und PCB belastet. Einer der Gründe: Es gilt ein neuer Grenzwert

Potsdam Mittelmark / Potsdam - Havelaale sind mit Bedacht zu genießen: Im Zuge bundesweiter Tests ist Mitte des vorigen Jahres auch eine Untersuchung der Aalbestände entlang des kompletten Havelverlaufs vorgenommen worden. „Die Ergebnisse sind nicht so schlecht wie befürchtet, aber auch nicht so gut wie erhofft“, sagte Lutz Desselberger, Leiter des Verbraucherschutzreferats vom Landwirtschaftsministerium, gegenüber den PNN.

An zehn Referenzstellen seien jeweils zehn Aale aus dem Fischfang entnommen und Mischproben zusammengestellt worden, um den Dioxin- und PCB-Gehalt zu ermitteln. An sechs dieser Proben habe es nichts zu beanstanden gegeben. In vier Proben wurde der erlaubte Höchstwert von 12 Pikogramm pro Gramm von Dioxinen und dioxinähnlichen „Polychlorierten Biphenylen“ (PCB) allerdings nicht eingehalten. Am Trebelsee bei Ketzin und am Pritzerber See hinter Brandenburg (Havel) wurde der Grenzwert leicht überschritten. Am Krampnitzsee bei Fahrland war die Überschreitung deutlich. Spitzenreiter war laut Desselberger der Jungfernsee in Potsdam, dessen Probe mit 30 Pikogramm zu Buche schlug. Nur ungern nennt Desselberger diese Orte, Aale seien „ein reiselustiges Völkchen“. So könne man nicht schlussfolgern, dass Aale aus bestimmten Havelabschnitten unbelasteter sind als aus anderen.

Von einem Lebensmittelskandal könne bei den minimalen Überschreitungen nicht die Rede sein, betonte Desselberger. „Selbst der vorübergehende Verzehr des verseuchten irischen Schweinefleischs wurde im Dezember durch das Bundesinstitut für Risikobeurteilung als unbedenklich eingestuft, und die Belastung lag 200fach über dem Grenzwert.“ Die Verbraucher hätten mit Havelaalen auf dem Teller nichts zu befürchten: „Wir reden ja über eine Delikatesse, die man nicht täglich isst.“ Wer trotzdem vorsorgen will, sollte nach Empfehlung des Ministeriums nicht mehr als 200 Gramm Aal pro Monat essen.

Die Belastung der Havelaale wurde erst durch eine parlamentarische Anfrage des Kleinmachnower Landtagsabgeordneten Jens Klocksin (SPD) bekannt, sie hatte sich auf die Wasserqualität im Teltowkanal bezogen. In der Antwort wurde en passant ein zurückhaltender Verzehr von Havelaalen empfohlen. Laut Desselberger sei allerdings seit langem bekannt, dass Aale durch ihre Fettspeicher und ihr langes Leben besonders empfänglich für Giftstoffe sind. Und die seien als Altlasten in den Sedimenten der Flüsse und Seen über Jahrzehnte eingespeichert.

Auch der Landesfischereiverband Brandenburg hat im vorigen Jahr Messungen entlang der Havel zu den Belastungen bei Aalen durchgeführt, die über 50 Prozent des Umsatzes der Havelfischer ausmachen, wie Ronald Menzel vom Fischereiverband erklärte. Von den akkreditierten Labors wurde an acht anderen Referenzpunkten gemessen als von der Verbraucherschutzbehörde. Bei den Mischproben aus insgesamt 24 Aalen habe es nur im Fahrländer See eine Überschreitung um 0,6 Pikogramm gegeben.

„Wir reden bei der Maßeinheit vom Billionstel Teil eines Gramms“, so Menzel. Auch seiner Sicht besteht kein Grund zur Besorgnis. „Solche Einzelbefunde entstehen auch, weil immer genauer gemessen wird.“ Noch im Jahr 2005 hätte es gar keinen Grenzwert für PCB gegeben. Inzwischen würden sie mit Dioxinen zusammengefasst. Erst dadurch würden auch die Überschreitungen bei Aalen eintreten. „Hätten wir nur Dioxine gemessen, wäre alles im grünen Bereich geblieben“, betonte Menzel, der auch Vorsitzender der Fischereischutzgenossenschaft „Havel Brandenburg“ ist. Pressemeldungen zum Jahreswechsel, dass Havelaale dioxinbelastet sind, seien deshalb nicht korrekt gewesen.

Insgesamt gäbe es in der Havel einen „Super-Trend“, was die Belastungen mit Umweltgiften angeht. „Aber letztlich ist es wie mit den glücklichen Freilandhühnern: Auch Fische sind Giften ausgesetzt, die in den Kreislauf gelangt sind.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false