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Potsdam-Mittelmark: Keine strahlenden Aussichten

Greenpeace kritisiert Polens Vorgehen beim Einstieg in die Atomenergie. Wichtige Unterlagen zum Umweltprüfverfahren seien zu spät eingereicht worden

Potsdam - Der Umweltverband Greenpeace hat das Vorgehen Polens beim geplanten Einstieg in die Atomenergie scharf kritisiert. Dass den Nachbarländern im aktuellen grenzüberschreitenden Umweltprüfverfahren erst Ende 2014 und damit ein Dreivierteljahr nach der Entscheidung der polnischen Regierung wichtige Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien, sei illegal, sagte der Kernenergieexperte Jan Haverkamp von Greenpeace am Freitag in Potsdam. Dies verstoße sowohl gegen polnisches Recht und auch gegen internationale Konventionen, betonte Haverkamp, der den Umweltverband auch bei einer Klage gegen das Atomprogramm vertritt.

Einwände aus Brandenburg und anderen Ländern seien bei der Entscheidung über das Atomprogramm nicht ernsthaft berücksichtigt worden, betonte Haverkamp. Die aktuelle Klage von Greenpeace gegen die Pläne sei zudem in erster Instanz mit Begründungen des polnischen Wirtschaftsministeriums abgewiesen worden. Die Kläger hätten jedoch ein Recht auf eine unabhängige Beurteilung ihrer Einwände. Der Umweltverband will nun in Warschau in Berufung gehen.

Unterstützung dabei sei auch aus Brandenburg möglich, das auch an dem grenzüberschreitenden Umweltprüfverfahren teilnimmt, betonte Haverkamp. So könne das Bundesland mit einem eigenen Rechtsgutachten Einfluss nehmen. Eine Möglichkeit zu einer eigenen Klage des Landes Brandenburg oder anderer betroffener Bundesländer wie Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bestehe zwar nicht, hieß es weiter. Der Bund könne jedoch bei der EU-Kommission intervenieren und sich auch gegen den Verstoß der Planungen gegen internationale Konventionen wehren.

Derzeit laufe in Polen rund 80 Kilometer von Danzig entfernt die Standortprüfung für zwei Atomkraftwerke mit insgesamt 6000 Megawatt Leistung, sagte Haverkamp. Allein durch die Untersuchungen an den möglichen Standorten sei bereits eine einmalige Dünenlandschaft an der Ostsee mit zahlreichen seltenen Vogelarten bedroht.

Bislang hat das Nachbarland keine Atomkraftwerke. Die polnische Regierung hatte im Januar 2014 den Einstieg in die Nutzung der Kernenergie beschlossen. Damit soll die Energieversorgung gesichert und die Umweltbelastung durch die Kohleverstromung reduziert werden. Die Fertigstellung von zwei Atommeilern ist nach Angaben des Bundesumweltministeriums bis zum Jahr 2035 geplant.

Sachverständigen zufolge könne ein schwerer Atomunfall in den geplanten polnischen Anlagen katastrophale Auswirkungen für Berlin und Brandenburg, aber auch weiter entfernte Regionen wie Baden-Württemberg und Bayern haben, sagte Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von Greenpeace: „Es könnte Deutschland zu großen Teilen unbewohnbar machen.“ Die Problematik eines solchen möglichen Super-Gaus sei in der bisherigen Planung ebenso wenig berücksichtigt wie die ungeklärte Frage der Atommülllagerung, hieß es. Das Programm der polnischen Regierung verharmlose die Folgen eines möglichen Atomunfalls für die Nachbarländer, sagte Haverkamp.

Greenpeace kritisierte außerdem, Polen habe bei der Entscheidung für das Atomprogramm keine realistischen Alternativen zur künftigen Energieerzeugung geprüft. Dies sei jedoch erforderlich.

Der erste Reaktor des polnischen Atomprogramms soll den staatlichen Planungen zufolge 2024, der zweite 2030 ans Netz gehen, hieß es. Dies sei jedoch unrealistisch. Die Planungen seien bereits jetzt rund ein Jahr in Verzug.

„Wir haben unsere Ablehnung im Rahmen der grenzüberschreitenden strategischen Umweltprüfung deutlich gemacht, weil es sich nach unserer Auffassung um eine Risikotechnologie handelt“, sagte der Sprecher des Potsdamer Umweltministeriums, Hans-Joachim Wersin. „Bei dieser ablehnenden Haltung werden wir bleiben.“

„Nach wie vor gehen wir davon aus, dass es zu erheblichen grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen durch jeden Standort in der Republik Polen kommen kann“, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. „Denn selbst wenn die Ereignisse von Tschernobyl und Fukushima nicht repräsentativ sind, belegen sie doch, dass die Nutzung dieser Technologie in letzter Konsequenz mit nicht ausschließbaren Risiken verbunden ist.“

Yvonne Jennerjahn

Yvonne Jennerjahn

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