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Potsdam-Mittelmark: Lapsus oder Korruption

Die Mühlen der deutschen Bürokratie mahlen langsam und manchmal auch falsch. Kunstschmied Michael Soika glaubt, es ist sogar noch viel schlimmer

Die Mühlen der deutschen Bürokratie mahlen langsam und manchmal auch falsch. Kunstschmied Michael Soika glaubt, es ist sogar noch viel schlimmer Von Henry Klix Michendorf · Wilhelmshorst - In Michael Soika lodert ein Feuer. Seine Metallskulpturen wirken wild und unbändig. Und wer den bekannten Kunstschmied einmal auf einem Volksfest in Aktion erlebt hat, staunt über die Kraft und Wut, mit der der kleine Mann auf das Eisen einschlägt. So brannte er auch vor acht Jahren, als ihm und seiner Familie Unrecht geschah. Es geht um 5000 Quadratmeter Bauland, die bis zur Wende noch der Gemeinde Wilhelmshorst gehörten. Soika kaufte 1000 Quadratmeter im Mai 1990 ab, baute für seine Familie ein Haus, richtete sich ein. Nur ins Grundbuch schaffte er es nicht: Im September 1990 wurde auf Soikas und die vier benachbarten Grundstücke im Hügelweg ein Rückübertragungsanspruch angemeldet. Sieben Jahre später wird er vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in Belzig (Arov) gewährt. Amboss oder Hammer sein? Den Kopf einziehen, alles aufgeben? Das war nicht Soikas Art. Aber sein Widerspruch wurde von den Behörden abgewiesen. Zu Unrecht: Im Dezember 1992 lief die Frist zur Anmeldung von Rückübertragungsansprüchen in den Neuen Ländern aus. Bis dahin gab es keinen korrekten Antrag. Während es im Bescheid des Arov heißt, dass Ilse B. um Rückübertragung ersuchte, hieß der wirkliche Antragsteller Jens-Jürgen B.. Der war nicht anspruchsberechtigt. Erst im April 1997 hatte ihm seine Mutter ihre Ansprüche übertragen – viel zu spät. Dem Arov reichte es. Vielleicht war es ein behördlicher Lapsus, ein Irrtum, ein Schreibfehler. Vielleicht war es Stress, vielleicht ist man Jens-Jürgen B. auch zu weit entgegengekommen. Mutter und Sohn, was macht das für einen Unterschied? Einen großen, wenn es um siebenstellige Beträge auch für die Gemeinde Wilhelmshorst geht, meint Soika. Er witterte Schieberei, Bestechung, Korruption. Und er hielt die Glut am Leben: Auch Leuten, die sie gar nicht hören wollten, erzählte er seine Geschichte. Nachbarn, Kunden, Politikern, Prominenten. Während Jens-Jürgen B. mit seiner Schummelei durchkam, sollte Soika aber erstmal scheitern. Seine Klage beim Verwaltungsgericht endete im Dezember 1998 erfolglos: Da er nicht im Grundbuch stand, war Soika auch nicht klagebefugt. Die Gemeinde Wilhelmshorst war es durchaus. Ein guter Anwalt machte das dem zuständigen Amt Michendorf vor dem Gerichtstermin in eindringlichen Worten deutlich. Amtsdirektor Dahm konnte ja nicht wissen, dass im Bescheid des Arov ein falscher Name gestanden hatte. Dennoch kam er nicht zum Termin. Vielleicht hatte er es nicht für wichtig gehalten, war verhindert. Vielleicht gab es Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Vielleicht traute er dem Belziger Arov, das gemeinhin gute Arbeit leistete. Vielleicht war er auch einfach genervt. Oder steckte das Amt Michendorf mit Jens-Jürgen B., dem Gericht und dem Arov unter einer Decke, wie Soika vermutet? Hätte der Amtsdirektor nicht wissen müssen, dass Soikas Klage ohne Rückendeckung der Gemeinde keine Chance hatte? Hätte nicht sogar das Verwaltungsgericht die Gemeinde laden müssen? Für Michael Soika war der Fall klar. Auch, als seine Anwaltskanzlei den Fall zu den Akten legte. Und die Staatsanwaltschaft nicht gegen die Behörden ermittelte. Hier schien alles faul. Dabei sollte der bärbeißige Schmied einen Riesenschritt vorankommen. Denn nach dem Gerichtstermin setzte im Amt Michendorf ein Umdenken ein: Ein Widerspruch des Amts hatte soweit Erfolg, dass im Oktober 2002 die Rückübertragung von Soikas Grundstücksteil zurückgenommen wurde. Das Arov räumte sogar seinen Fehler ein. Doch während Soika einen falschen Grundbucheintrag für seine 1000 Quadratmeter durch die Widersprüche verhindert hatte und endlich selbst zum Zuge kam, sah es für die restlichen Flächen schlechter aus. Längst hatte Jens-Jürgen B. im Grundbuch gestanden, die 4000 Quadratmeter parzelliert und weiter verkauft. „Das Vertrauen auf die Beständigkeit der erworbenen Rechtsposition ist höher zu bewerten als das fiskalische Interesse des Staates an der Rücknahme des Bescheides“, wurde der Gemeinde beschieden. Schieberei, Bestechung, Korruption? Die von Soika wiederholt in die Spur geschickte Korruptionsstaatsanwaltschaft Neuruppin kann keine strafrechtliche Relevanz erkennen. Die jüngste Strafanzeige Soikas vom Dezember wegen „Vorteilsnahme in der Michendorfer Verwaltung“ wurde gerade zu den Akten gelegt. Zivilrechtlich ist die Sache allerdings nicht ausgestanden: Auch die mittlerweile fusionierte Gemeinde Michendorf will jetzt ihr verlorenes Eigentum am Hügelweg zurück, zumindest entschädigt werden. Wohl in zwei Jahren wird die Klage beim Verwaltungsgericht verhandelt. Soikas Vertrauen in den Rechtstaat hat indes für immer Schaden genommen. Er wird weiter wütend auf sein Eisen einschlagen, energische Konturen in die glatte Oberfläche hämmern. Und gelegentlich daneben hauen.

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