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KulTOUR: Literarischer Kräutergarten mit angenehmen Nebenwirkungen

Ralf Wolter präsentierte in Beelitz eine Zusammenstellung von Weisheiten, Aphorismen und Anekdoten. Das Publikum lachte

KulTOURRalf Wolter präsentierte in Beelitz eine Zusammenstellung von Weisheiten, Aphorismen und Anekdoten. Das Publikum lachte Beelitz – Seinen Sam Hawkins ist Ralf Wolter wohl nie mehr recht losgeworden. Mit dem kauzigen Kerlchen, dessen Mundwerk oft schneller war als sein Verstand, blieb er nicht nur den Fans von Karl-May-Filmen in Erinnerung. Sein typisches „hihi“ hinter jedem „wenn ich mich nicht irre“, blieb im Ohr der Zuschauer. Doch fast scheint es nun so, als sei der Schauspieler auf der Flucht vor seinem Sam Hawkins. Denn nicht eine winzige Anspielung zu seinem größten Filmerfolg kam Wolter über die Lippen, als er am Samstag im Tiedemann-Haus seine Fundstücke aus drei Jahrhunderten präsentierte. Zur Lesung hatte der Beelitzer Kulturverein eingeladen und versprochen, dass Wolter seine verblüffenden Ausgrabungen „ziemlich anders“ ans Licht bringen werde. „Tinte mit Sahnehäubchen“, so der Titel des Leseabenteuers, das er in anderthalb Stunden vor rund 30 Gästen zu Gehör brachte. Die waren chancenlos, auch nur eine einzige Zwischenfrage stellen zu können. Gefordert war stattdessen eine gewisse Geduld im Anhören längerer Sätze. Das wurde schon in der ersten Minute deutlich, nachdem Wolter die Pforte zu seinem „literarischen Kräutergarten“ öffnete und dafür mindestens fünf Gründe zu nennen wusste – in einem Satz! Weil Würzkräutlein heilen können, lag deshalb der Gedanke nahe, dass Literatur nicht nur erbaulich, sondern auch ein Heil-Mittel sein kann. Natürlich kommt es auf die Dosis an und da erwies sich Wolter als Meister im Verteilen von Wirkkräften. Und weil befreiendes Lachen die beste Medizin ist, pflückte er für sein Publikum einen bunten Strauß von Hebbel, Claudius, Ringelnatz und Tucholsky bis Heinz Erhardt. Das Publikum spitzte die Ohren, um ja keine Pointe zu verpassen, weshalb der kredenzte Wein auf den Tischen bis zur Pause fast unberührt in den Gläsern blieb. Abwechslungsreich und bissig zerpflückte Wolter derweil mit seinem Fund-Lesematerial die Sehnsüchte von Glück und Reichtum. Ein kleines Lehrstück gegen allzu trügerische Sicherheiten war Kafkas Fabel „Die Maus“. Deren Welt wird täglich enger, bis sie im letzten Zimmer auf die Mauer zuläuft, vor der eine Falle steht. Die Katze rät: „Du musst nur die Laufrichtung ändern“ – und frisst sie dann. Wolter beleuchtete auch den Wunsch vom großen Los, von dem wohl jeder mal träumt. Aber er mahnte auch: „Die Sache mit dem Wünschen ginge ja noch, wenn sie denn bloß nicht zur Gier würde.“ Wie bei den Eheleuten, die vor lauter Wünschen nicht wussten, was sie sich wünschen wollten. Am Ende zerplatzten auch die drei, die ihnen eine Fee gewährte. Übrig blieben ein paar arme Würstchen. Wolter weihte das Publikum auch ein in die drei Stufen einer schmerzhaften Reifung: „Liebe, Ehe, Fegefeuer“. Zwischendurch streute er Aphorismen wie den von Lichtenberg: „Ein Buch ist ein Spiegel; wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel heraus gucken“. Wolters Leseabenteuer erweist sich als Erfrischungskur für Lachfalten und das war schon immer ein bewährtes Hausmittel gegen Alltagsbeschwerden. Am Ende klatscht das Publikum stürmisch Beifall und der Schauspieler schenkt noch vier kleine Schaumkrönchen als Zugabe.

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