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Potsdam-Mittelmark: „Man muss die Demokratie beherrschen“

Kerstin Hoppe (CDU) zu Gestaltungsspielräumen im Amt, Parteipolitik und ihrem Gewichtsverlust im letzten Jahr

Kerstin Hoppe (CDU) zu Gestaltungsspielräumen im Amt, Parteipolitik und ihrem Gewichtsverlust im letzten Jahr Vor einem Jahr sind Sie als neue Bürgermeisterin von Schwielowsee angetreten, als Quereinsteigerin aus der Bauwirtschaft, die frischen Wind in die Kommunalpolitik bringen wollte. Hatten Sie mit den Problemen gerechnet, denen Sie in den letzten Monaten begegnet sind? Insbesondere, was die engen gesetzlichen Vorgaben anbetrifft, sage ich ganz ehrlich: Das habe ich unterschätzt. Ich hätte damit gerechnet, dass es größere Gestaltungsspielräume für eine Bürgermeisterin gibt. Der Spielraum liegt aber häufig bei Anderen. Wenn man nicht ständig wachsam und aktiv ist, kommen Prozesse in Gang, ohne dass man daran beteiligt ist. Man bekommt Schwierigkeiten, wenn man nicht lernt, zur richtigen Zeit einzugreifen. Damit muss man lernen, umzugehen, an seinen Fehlern wachsen und sehen, wie man sie beim nächsten Mal vermeidet. Dennoch würde ich mir wünschen, dass Land und Landkreis mehr Mut bei den Themen Deregulierung und Entbürokratisierung beweisen. Bei der Straße der Einheit hatten Sie ja viele Möglichkeiten, Lehren zu ziehen. Sie wollen 28 Linden fällen und argumentieren mit der Verkehrssicherheit und dem Straßenbild, eine Bürgerinitiative will nur die Hälfte und führt Naturschutzfachliches ins Feld. Sie waren mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Datenschutzbeauftragten befasst, nach einer Klage des BUND kommt nun noch das Verwaltungsgericht hinzu. Wie also geht man mit parteipolitischen Schlagabtauschen, wie mit Bürgerinitiativen und wie mit den Behördenvorgaben um? Man muss die Demokratie beherrschen, indem man niemanden ausschließt, allen zuhört, Kompromisse findet und dann aber auch zu einem Ergebnis kommt, an dem man festhält. Jeder hat seine Rechte und Pflichten und übt sie aus, aber man darf es auch nicht ausufern lassen. Sonst wird nicht mehr geredet sondern zerredet und es gibt Stillstand. Man hat gerade beim Thema Linden den Eindruck, der SPD-Ortsverband fordert Sie heraus. Sie reagieren eher nicht. Warum? Sachpolitik und nicht Parteipolitik soll im Vordergrund stehen. Sie sind immerhin Mitglied einer großen Volkspartei! Ich bin in der CDU, weil ich Politik immer nur im Kontext mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen sehen kann. Aber man muss als Bürgermeisterin dennoch eine gewisse Überparteilichkeit und Neutralität wahren. Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf bestimmte Verlautbarungen zu reagieren. Dazu gibt es einen CDU-Ortsverband. Sie wollten vieles anders machen und vieles neu gestalten in der Großgemeinde. Wo haben Sie im vergangenen Jahr die größten Akzente gesetzt? Ich kann nach einem Jahr sagen, dass viele meiner Wahlversprechen bereits in Angriff genommen sind: Eine Verwaltungsreform hat begonnen. Im Zuge der Gemeindereform wurde Misstrauen abgebaut, es gibt eine enge Zusammenarbeit der Gemeindevertretung und der Bürgermeisterin mit den Ortsbeiräten und Ortsbürgermeistern. Und wir haben mit der Verringerung der Gewerbesteuer auch etwas Aufbruchstimmung in die Wirtschaft gebracht: Es gibt drei Gewerbe mehr in Schwielowsee seit letztem Jahr. Und es gibt neue Ansiedlungsinteressenten, wie die Dachdeckerfirma Blank, die aus Potsdam nach Caputh will. Wenn ich an den Neujahrsempfang oder das Fährfest denke, scheinen Sie auch Feierlichkeiten eine wichtige Rolle einzuräumen? Durch Feste wachsen die Menschen zusammen und man kann zeigen, wie man seine Gäste in Empfang nimmt. Wir haben mit dem Fährfest beispielhaft gezeigt, wie Gewerbe und Gemeinde hier gemeinsam etwas bewegen können. Es kamen Leute zu mir und fragten, ob es bei der Jubiläumsfeier zum 150. Fährgeburtstag bleiben soll. Soll es nicht: Wir wollen das Fährfest zur Tradition werden lassen. Die zweite Auflage gibt es am 7. August. Und wir wollen, wie auch beim Fahrradsonntag, versuchen, mit geringstem finanziellen Aufwand wieder etwas Ansprechendes hinzubekommen. Haben sich Ihre politischen Ziele für die Zukunft nach den bisherigen Erfahrungen verschoben? Nein, wesentliches Ziel ist und bleibt die wirtschaftliche und touristische Entwicklung mit allem, was dazu gehört, auch der Infrastruktur. So ist der Start der Sanierung der Straße der Einheit in Caputh nach wie vor das wichtigste Projekt in diesem Jahr. Welche weiteren Investitionen werden im Haushaltsentwurf 2004 auftauchen? Wir wollen es schaffen, das Dachgeschoss im Caputher Rathaus für den Jugendklub umzubauen und ich hoffe, das Ergebnis wird so überzeugend, dass der Jugendklub auch zum Treffpunkt für Geltow und Ferch wird. In Ferch soll der Kita-Anbau abgeschlossen werden. Vielleicht können wir mit dem Ausbau des Feuerwehrdepots anfangen. In Geltow soll die Ferdinand-von-Schill-Straße fertig werden. Der Radweg in Wildpark West Richtung Potsdam wird verlängert. Und wir müssen an einer Lösung der Grundstücksproblematik der Schule arbeiten: Dass uns nur das Gebäude, nicht aber die Fläche gehört, bringt Probleme mit sich. Toll wäre, wenn wir ein Modellprojekt für eine Busverbindung Ferch-Werder hinbekommen. Es gibt bereits Abstimmungen mit Havelbus für eine Linie zwischen Mittelbusch, Strengfeld und Bahnhof Werder mit Anschluss an den RE 1. Im Juli-August würde der Bus viermal täglich im Testlauf fahren. Ob die Gelder von 8500 Euro bewilligt werden, hängt von den Gemeindevertretern ab. Der finanzielle Spielraum für die Kommunen wird nicht größer: Sie haben durch Steuermindereinnahmen und geringere Schlüsselzuweisungen in diesem Jahr 600000 Euro weniger im Gemeindesäckel. Wie werden Sie dem begegnen? Wir müssen mit dem Geld mehr leisten und in Bewegung setzen, wie wir es durch die Verwaltungsreform ja schon versuchen. Wir werden aber auch um unpopuläre Maßnahmen nicht herum kommen. So werden wir zum Beispiel für unsere Kindertagesstätten in Caputh, Ferch und Geltow nach freien Trägern suchen müssen. Wie immer geht das nur in enger Abstimmung mit den Betroffenen, in diesem Fall den Leiterinnen und Erzieherinnen der Kitas. Es gab ja Leute, die sagten: Ein Jahr, das schafft Frau Hoppe nie. Jetzt, da Sie es doch geschafft haben, ist eher Ihr dramatischer Gewichtsverlust ein Thema. Sie sollen 10 Pfund abgenommen haben. Wie sehen Sie dann nach achtjähriger Amtszeit aus? Der Arbeitstag hat genau wie in den ersten Wochen auch jetzt noch oft 16 Stunden, aber ich habe nicht vor, in sieben Jahren nur noch ein Strich zu sein. Im Gegenteil: Ich hoffe, dass ich das, weswegen mich die Leute gewählt haben, auch am Ende meiner Amtszeit noch ausstrahlen kann. Dazu muss ich einen gesunden Ausgleich schaffen und Prioritäten setzen. Das kann man auch, wenn man die täglichen Abläufe beherrscht. Das Gespräch führte Henry Klix

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