zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Mit Promi zur Berufswahl

Weil Bewerber fehlen, wirbt Olympiasieger Robert Harting in Teltow um Azubis und gibt ihnen Tipps

Teltow - Für einen Moment sah Bernd Albers (BfB) ertappt aus: Mit dem Fotohandy in der Hand versuchte der Stahnsdorfer Bürgermeister, den Stargast der Teltower Ausbildungsmesse unauffällig abzulichten. Vergeblich. „Wenn selbst ein Bürgermeister die Kamera zückt, muss es ein wirklich großer Star sein“, kommentierte sein Teltower Amtskollege Thomas Schmidt (SPD) lautstark die Annäherungsversuche an den Olympiasieger im Diskuswerfen, dem Welt- und Europameister sowie Deutschlands Sportler des Jahres – Robert Harting.

Den Mund weit aufgerissen, die Muskeln gespannt und das Trikot in Fetzen gerissen, so kennt man den Berliner Ausnahmesportler, wenn er seinen Diskus weiter als jeder andere Sportler geschleudert hat. In Teltow präsentierte der Athlet am Montag eine andere Seite von sich: Eingerahmt von den Bürgermeistern Teltows, Stahnsdorfs, Kleinmachnows und Nuthetals saß der 29-Jährige in blauer Sportjacke, grauem T-Shirt und Jeans an einer Schulbank des Oberstufenzentrums. Harting ist Schirmherr der siebten regionalen Ausbildungsmesse, die im gleichen Haus am 25. Januar stattfinden soll. 84 Unternehmen werden sich dann im Oberstufenzentrum an der Potsdamer Straße präsentieren, ein Rekord. Zu den Ausstellern gehören namhafte Unternehmen wie die Krankenkassen AOK und Barmer, die Bahn, Audi, Volkswagen, Mercedes, die Bundeswehr, die Sparkasse, Lidl, die Telekom, aber auch Mittelständler und Kleinbetriebe der Region.

„Die Gesellschaft wartet auf niemanden“, sagte Robert Harting bei der Vorstellung der Ausstellerliste und erntete einvernehmliches Nicken aller Bürgermeister. Der Sportler sollte der Messe nicht nur einen neuen Ausstellerrekord sichern, sondern auch für einen Besucherrekord sorgen. Im vergangenen Jahr drängten sich in der fünf Stunden dauernden Ausstellung 4500 Gäste durch das Oberstufenzentrum. Geht es nach den Betrieben, könnten es noch mehr werden.

„Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir junge Menschen an uns binden“, sagte Frank Michalak. Die Alterung der Gesellschaft macht auch im Berliner Speckgürtel nicht halt, erklärte der Vorstandsvorsitzender der AOK-Nordost. Schon in fünf Jahren werde sich die AOK jedes Jahr von fünf Prozent ihrer Belegschaft verabschieden müssen – die Menschen gehen in Rente. Guter Nachwuchs fehlt, zum Beispiel informatikbegeisterte Jugendliche für das Rechenzentrum der Krankenkasse in Teltow.

Es sind nicht nur technische Berufe, in denen junge Bewerber Mangelware sind: So zählte die Arbeitsagentur im vergangenen Ausbildungsjahr im Landkreis Potsdam-Mittelmark erstmals mehr freie Lehrstellen als Bewerber. Auf 792 Stellen kamen 788 Jugendliche. Auch wenn der Unterschied nur gering ist, sei die Situation für Unternehmen alles andere als komfortabel, sagte Agentursprecherin Isabel Wolling. Nicht jeder Bewerber ist geeignet. „Jeden leistungsstarken Schüler, den wir in der Region halten können, ist deshalb ein Gewinn.“ Die Arbeitsagentur wird zur Ausbildungsmesse bereits 430 regionale Stellenangebote im Gepäck haben. Die Industrie- und Handelskammer Potsdam hat sogar 1003 Stellen im Angebot, darunter viele im Bereich Gastronomie, Hotel, aber auch Einzelhandel. Die Kammer empfiehlt den Unternehmen, Jugendliche schnell an sich zu binden, bevor es andere tun.

Auch Henri Danker, Schulleiter des Oberstufenzentrums, hat den demografischen Wandel registriert: Die Zahl seiner Schüler ist in den vergangenen fünf Jahren von rund 1850 auf 1150 gesunken. Hinzu kommen die Abbrecher. Rund 100 Schüler lassen im Jahr die Ausbildung sausen oder werden vom Unternehmen gefeuert, einige kurz vor dem Abschluss. Mit Nachhilfestunden und Beratungen versucht das Oberstufenzentrum, die Jugendlichen bei der Stange zu halten. Eine Ausbildung abzubrechen, „das ist rausgeschmissene Lebenszeit“, so Danker.

Auch deshalb appellierte Diskuswerfer Robert Harting, sich genügend Gedanken um die Berufswahl zu machen. „Kaum einer weiß in jungen Jahren, was man will oder was man kann“, sagte Harting. Die Ausbildungsmesse in Teltow sei eine Gelegenheit, es herauszufinden. Jugendliche sollten aber auch auf ihr Bauchgefühl hören. „Das habe ich gemacht“, sagte Harting. Heute ist er Olympiasieger und wird nicht nur von Bürgermeistern fotografiert, sondern von aller Welt.

Messe am 25. Januar, 10 bis 15 Uhr, in der Potsdamer Straße 4 in Teltow

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false