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Potsdam-Mittelmark: Ohne Lippenmuskeln kein Bild

Mundmaler Thomas Kahlau begeisterte behinderte Jugendliche im Michendorfer St. Norbert Haus

Mundmaler Thomas Kahlau begeisterte behinderte Jugendliche im Michendorfer St. Norbert Haus Von Juliane Schoenherr „Und wer hat dieses Bild gemalt?“, fragt der 13-jährige Pascal mit bewunderndem Blick schon zum vierten Mal beim Durchblättern des Bilderkatalogs. „Das ist auch von mir“, antwortet Mundmaler Thomas Kahlau lächelnd. Der Caputher Künstler hatte im Alter von 15 Jahren einen Badeunfall – seitdem ist er querschnittsgelähmt. „Mein Vater hat mir damals eine Konstruktion für den Mund gebastelt, mit der ich mühevoll schreiben und später malen gelernt habe“, erzählt er. Obwohl der Maler, wie er sagt, nicht viel Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen hat, wirkt er locker beim Gespräch mit den leicht- und mittelgradig behinderten Jugendlichen des Michendorfer St. Norbert Hauses. Er zeigt den Jugendlichen, dass er sie Ernst nimmt und sie hören ihm aufmerksam und mitfühlend zu. Um nicht in der Vergangenheit zu verharren, schlägt Kahlau den Anwesenden vor, seine Mundmaltechnik vorzuführen. Heinz (19) meldet sich spontan und fragt, ob er dem Gast vielleicht vorher noch ein Bild von sich zeigen darf. Darf er. Es ist eine Herbstbaumcollage, die am Vormittag unter Anleitung von Kunstlehrerin Oda Schielicke entstanden ist. Kahlau lobt den großen Jungen mit dem karierten Hemd – Heinz strahlt und beobachtet jetzt noch genauer, wie der Clown auf Kahlaus Staffelei mit jedem Pinselstrich lebendiger wird. Man merkt ihm an, wie aufgeregt er ist, weil er die ungewöhnliche Maltechnik gleich selbst einmal ausprobieren darf. Als Kunstlehrerin Oda Schielicke und die stellvertretende Heimleiterin Ines Wunder die kleinen Tischstaffeleien aufbauen, kommt Bewegung in die Gruppe. „Wer möchte denn welche Farbe haben?“, Heinz möchte rot, „weil man das am besten sieht“. Seine Freundin Annika (18) nimmt auch rot: „Heinzi, rot ist die Liebe!“ ruft sie ihm schelmisch zu. Überhaupt scheint die Liebe ein ebenso wichtiges Thema zu sein, wie bei anderen Jugendlichen auch. Die 17-jährige Stefanie hat ein großes gelbes Herz auf das rote Blatt Papier gemalt. „Ich mag Herzen gerne, am liebsten mit einem Pfeil durch“, verrät sie. Nach einer Weile ist allen klar: Malen mit dem Mund verlangt weit mehr Übung, als mit der Hand. Wenn der Pinsel sich zu eigenwillig zeigt, schummelt der eine oder andere ein bisschen. „Na, Annika“, mahnt die Kunstlehrerin „aber nur mit dem Mund. Thomas kann ja auch nicht mal schnell seine Hand zur Hilfe nehmen.“ Entschuldigend meint Annika: „Aber das tut ganz schön weh“. Dann nimmt sie tapfer wieder den Pinsel zwischen die Zähne. Auch den anderen schmerzen die Lippen und Wangen. Thomas Kahlau kennt das gut: Er hat seine Gesichtsmuskeln jahrelang trainieren müssen, um den Pinsel so geschickt führen zu können.

Juliane Schoenherr

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