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DasWAR’S: Russen am Wachtstumskern

DasWAR’S Was für Peter Könnicke eine Nachricht vom Fläming bedeutet Wir Journalisten sind ja zur Objektivität verpflichtet. Wir müssen uns parteilos zeigen und dürfen uns nichts anmerken lassen.

DasWAR’S Was für Peter Könnicke eine Nachricht vom Fläming bedeutet Wir Journalisten sind ja zur Objektivität verpflichtet. Wir müssen uns parteilos zeigen und dürfen uns nichts anmerken lassen. In dieser Woche habe ich gelassen registriert, dass Brandenburg neu geordnet werden soll - in große und kleine Zentren und in Wachstumskerne. Sachlich und nüchtern schreiben wir dann auf, was das bedeutet. Dass dort Schulen dicht gemacht werden müssen und hier Krankenhäuser gebaut werden dürfen. Jetzt hab ich erfahren, dass in Wiesenburg die Schule geschlossen werden soll. Meine Schule! Die POS Hanno Günther. Wie soll ich da objektiv bleiben? Schließlich habe ich dort zehn Jahre meines Lebens verbracht. Bei Frau Scholla habe ich so viel Russisch gelernt, dass ich heute noch meinen Kollegen aus dem Rheinland beeindrucken kann. Anfangs fand ich Russisch blöd, bis ich in der 7. Klasse mit dem Freundschaftszug nach Minsk fahren durfte. Als ich zurückkam, hatte ich drei Brieffreundinnen. Irina, Ella und Lena. Unter jeden Brief schrieb ich „Ja ljublju tebja“ und Frau Scholla wurde eine meiner Lieblingslehrerinnen. Sie ist inzwischen Schulleiterin in Wiesenburg und hat jetzt dem Korrespondenten einer Nachrichtenagentur erzählt, dass es nur noch vier Klassen mit 81 Schülern gibt. Mein alter Schulweg wäre heute der ideale Erlebnispfad für Gruselfans: Er beginnt kurz vor dem Dorffriedhof, geht vorbei am ausgedienten Mischfutterwerk und der alten Drahtzieherei. Auf halbem Weg kommt die Brauerei. Früher habe ich dort einmal in den Ferien gearbeitet und riesige Hefebottiche und Biertanks geschrubbt. Die Brauerei steht längst leer. Im vergangenen Jahr bin ich mal heimlich reingegangen, hab mir den alten Braukeller angeguckt und meinem Sohn einen Stapel grüner Etikette von Fläming-Pilsner mitgenommen. An manchen Schultagen war die Straße vor der Brauerei nur schwer zu überqueren, weil regelmäßig Lkw-Kolonnen der Roten Armee unterwegs waren. Allerdings ließ sich mein ständiges Zuspätkommen nicht oft damit entschuldigen, ich sei nicht über die Straße gekommen, weil die Russen fuhren. „So oft fahren die auch nicht“, hatte meine Deutschlehrerin meine Ausrede schnell durchschaut. Der Rest des Schulweges führt vorbei am Wiesenburger Landschaftspark, bis man schließlich vor dem gelben Schulgebäude steht. Typ Erfurt. Endstation. Früher kam mir mein Schulweg unendlich lang vor. Jetzt erscheint er mir kurz, die Häuser sind viel niedriger, die Straßen nicht mehr so breit. Mein Wachstumskern ist deutlich kleiner geworden – subjektiv gesehen.

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