zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Schlacht am Meisenweg

SPD fordert nach Abschlussbericht zum strittigen Ausbauvorhaben persönliche Konsequenzen des Bürgermeisters

SPD fordert nach Abschlussbericht zum strittigen Ausbauvorhaben persönliche Konsequenzen des Bürgermeisters Stahnsdorf. Der Stahnsdorfer Meisenweg, eine kleine Straße des Ortes, wird zum großen Politikum. Der Auslöser geht ins Jahr 1993 zurück, als lediglich eine neue Kanalisation verlegt werden sollte, woraus jedoch ein kompletter Straßenausbau wurde. Statt „gar nichts zu bezahlen“, wie den Anwohnern zunächst versichert wurde, sahen sie sich plötzlich mit Beitragsforderungen von 2500 bis 5000 Euro konfrontiert. Ein großer Teil der Anwohner zahlte widerwillig. Wenige klagten vor Gericht. Mit Erfolg: Bevor ein Urteil gesprochen wurde, zog die Gemeinde die Bescheide zurück. Wer nicht den Weg der Klage ging, blieb auf bestandskräftigen Rechnungen sitzen. Beendet war das Kapitel damit nicht. Vor allem die SPD-Fraktionäre im Gemeindeparlament machten sich zum Anwalt der Meisenweg-Bewohner, die nie verstanden hatten, warum aus den Kanalisationsarbeiten plötzlich ein kompletter Ausbau wurde. Bauamtsleiterin Ute Stelter hatte die Frage lange Zeit mit einem „Bauprogramm“ der Gemeinde erklärt, dessen Bestandteil der Meisenweg sei und somit rechtliche Grundlage für eine Beitragsforderung. Allerdings konnten sich bereits damals aktive Gemeindevertreter nie an ein Bauprogramm erinnern. Auch habe es nie einen Parlamentsbeschluss zum Ausbau der Straße gegeben. Und in der Baufirma, die damals die Arbeiten ausführten, ist heute niemandem mehr präsent, wer den Auftrag erteilt hat. Um Licht ins Dunkel zu bringen, wurde auf Initiative der SPD-Fraktion im Frühjahr 2001 eine parlamentarische Arbeitsgruppe „Meisenweg“ gegründet. Ihre Mitglieder: Harald Mushack (PDS), Dietrich Huckshold (Wir Vier), Jörg-Hannes Lunze (CDU) und Dietmar Otto (SPD). Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstag legte die AG ihren Abschlussbericht vor – der Versuch der SPD-Vertreter, das Thema im öffentlichen Teil zu behandeln, wurde mehrheitlich angelehnt. In einer Pressemitteilung legten die Sozialdemokraten ungeachtet dessen den Inhalt offen. Wichtigste Feststellung für die SPD: „Ein Bauprogramm zum Straßenausbau Meisenweg liegt nicht vor.“ Spätestens seit Anfang 2002 sei der Gemeindeverwaltung „eindeutig bekannt, dass die Bescheide keine rechtliche Grundlage haben“. Dennoch sei die Richtigkeit der ursprünglichen Bescheide bekräftigt worden, „obwohl der Kenntnisstand der Verwaltung ein anderer war“. Gegenüber der Arbeitsgruppe habe die für Stahnsdorf tätige Anwaltskanzlei „Spitzweg & Partner“ von „taktischen Bescheiden“ gesprochen, „die keine Eingeständnisse der fehlenden Grundlagen für die Forderungen enthalten sollten“. SPD-Ortschef Heinrich Plückelmann sieht aufgrund dieses Berichtes vor allem die Glaubwürdigkeit von CDU-Bürgermeister Gerhard Enser und der Verwaltung „schwer erschüttert“ und fordert „persönliche Konsequenzen“. Zwar sei Enser nicht für den Beginn der Fehlentwicklungen im Meisenweg verantwortlich zu machen, da dies eine Hypothek seines Vorgängers ist. Doch ist „wider besseren Wissens das Vorliegen des Bauprogramms und die Rechtmäßigkeit der Bescheide behauptet worden“, so Plückelmann. Tatsächlich rechtfertigte Enser den Ausbau des Meisenweges und die geforderten Rechnungen im September 2001, als die Arbeiten zum Abschluss gebracht werden sollten, mit einem vorliegendem Bauprogramm. Dabei stützte er sich auf die Aussagen seiner Bauamtsleiterin. Inzwischen weiß er es genauer: In der diesjährigen September-Sitzung der Gemeindevertretung betonte Enser, dass „ein heute übliches Bauprogramm in den Akten von damals nicht zu finden sein wird“. Doch beruft er sich auf die Rechtsposition der Gemeinde-Kanzlei. Demnach „kann das Bauprogramm in jeder nachvollziehbaren Entscheidung der Gemeinde, letztlich auch in der Beauftragung eines Bauunternehmens, gesehen werden.“ Doch bleibt genau dies der wunde Punkt für die SPD: „Warum ist überhaupt ein Auftrag erteilt und warum ist auf dieser ungeklärten Basis an der Rechtmäßigkeit der Bescheide festgehalten worden?“ Einer Aufklärung habe sich die Verwaltung „systematisch verweigert“, prangert AG-Mitglied Dietmar Otto an. Zur Einsicht geforderte Unterlagen seien nicht oder unvollständig bereit gestellt worden. Erst auf Nachdruck von Parlamentschefin Karin Steingräber habe über das vorhandene Aktenmaterial verfügt werden können. „Falsch“, wehrt sich Enser gegen die Vorwürfe. „Jeder konnte jederzeit alles einsehen.“ Ein Fakt, den auch Wir-Vier-Fraktionschef Dietrich Huckshold bestätigt, der in der AG „Meisenweg“ mitwirkte. „Es wurden mehrmals Akten angefordert und auch geliefert.“ Dass die Unterlagen unvollständig und sich je zum Zeitpunkt der Einsichtnahme unterschieden hätten, könne er nicht bestätigten. Die Feststellungen des Abschlussberichtes trage er zwar mit. Doch der vermeintliche Versuch der SPD, daraus politisches Kapital zu schlagen, „ist moralisch verwerflich“, sagt Huckshold. Dass die SPD entgegen der Absprache, den AG-Report zunächst im Gemeindeparlament am 23. Oktober zu behandeln und dann publik zu machen, sich beeilt, das Papier in die Öffentlichkeit zu bringen und vom Bürgermeister „persönliche Konsequenzen“ fordert, enttarne nur eine Absicht: Im Wahlkampf zu punkten – „auf Kosten der Bürger“, wie Huckshold beklagt. SPD-Chef Plückelmann sieht hingegen eine „grundsätzliche Frage“ für Vertrauensbildung und Glaubwürdigkeit aufgeworfen. „So viele Möglichkeiten“ der Wiedergutmachung sehe er nicht. Ziehe Enser nicht selbst Konsequenzen, werde die SPD „dienstrechtliche Schritte“ anstrengen. SPD-Vertreter Otto sieht Bauamtsleiterin Stelter mit „arbeits- und haftungsrechtlichen Folgen“ konfrontiert. Enser bedauert die „Fehler und Unzulänglichkeiten“ der Verwaltung aus der Zeit, bevor er Regie übernahm. Er habe seine Meinung auf die Rechtsposition der für Gemeindedienste tätigen Kanzlei gebaut. Die Anwälte wurden auch in der AG „Meisenweg“ gehört und hätten dabei ihre Ansicht bekräftigt, dass „die Bescheide in Unkenntnis der Rechtslage nach besten Wissen und Gewissen erstellt wurden“. Dass die SPD diese Passagen aus dem Abschlussbericht verschweige, beweise Enser, dass bewusst ein „schiefes Bild“ bemüht wird und die SPD „zum Abschluss ihres Wahlkampfes eine Polit-Posse inszeniert“. Peter Könnicke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false