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Potsdam-Mittelmark: Stalinismus-Opfer beim Namen genannt

Inzwischen 584 auf den Donskoi-Friedhof beigesetzte Deutsche ermittelt / Ehrung im Herbst

Inzwischen 584 auf den Donskoi-Friedhof beigesetzte Deutsche ermittelt / Ehrung im Herbst Von Erhart Hohenstein Werder/ Moskau. Auf dem Moskauer Donskoi-Friedhof soll erstmals in Russland auch deutscher Opfer des Stalinismus aus den Jahren 1951 bis 1953 gedacht werden. In die Ehrung aufgenommen wurden sieben Werderaner Jugendliche, deren tragisches Schicksal die Publizistikstudentin Anja Spiegel erforscht und bekannt gemacht hatte (PNN berichteten). Günter Beggerow, Johanna und Karl-Heinz Kuhfuß, Wilhelm Schwarz, Joachim Trübe, Heinz Unger und Inge Wolf waren wegen ihres Widerstandes gegen die SED-Diktatur und die Bolschewisierung Ostdeutschlands 1951 verhaftet und 1952 in Moskau erschossen worden. Ihre Asche wurde wie die ungezählter anderer Opfer auf dem ehemaligen Klosterfriedhof verstreut. Nach den Veröffentlichungen hatte Dr. Helmut Domke dafür gesorgt, dass die sieben Werderaner in die Ehrung einbezogen werden. Der Referatsleiter für die GUS-Staaten im brandenburgischen Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten fördert das Vorhaben „von Amts wegen und aus innerem Engagement“. Wie er jetzt mitteilte, wurde das Aufstellen der Gedenkstele vom Frühjahr auf den Herbst verschoben. Das Bekanntwerden des Vorhabens, nicht zuletzt durch einen am 5. Dezember 2003 veröffentlichten PNN-Beitrag, führte zu einer Flut neuer Hinweise von Opferverbänden und Einzelpersonen. Statt der 40 Namen, die in den Gedenkstein eingemeißelt werden sollten, sind jetzt 584 Deutsche (von insgesamt mehr als 1000) namentlich erfasst, die im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen wurden und deren Asche auf den Donskoi-Friedhof verbracht wurde. Damit ist es nicht mehr möglich, die einzelnen Namen der Opfer auf der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge finanzierten Stele zu nennen, die in der Werkstatt eines Moskauer Bildhauers bereits in Arbeit war. Sie muss nun durch eine neue mit einer allgemeineren Inschrift ersetzt werden. Für die Kosten in Höhe von etwa 2500 Euro werden Sponsoren gesucht. Die Namen der Opfer werden in einem Totenbuch erfasst, mit dem die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur das Historische Forschungsinstitut „Facts & Files“ in Berlin beauftragt hat. Das Institut kann seinerseits auf Vorarbeiten der in Moskau beheimateten Menschenrechtsgesellschaft Memorial zurückgreifen. Wie PNN von dem Historiker Jörg Rudolph erfuhren, wird das Totenbuch nicht nur die Namen der Opfer nennen, sondern auch jeweils eine Kurzbiographie anfügen. Dazu wird bundesweit in rund 20 wissenschaftlichen Einrichtungen geforscht, darunter dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam. Rudolph ist sehr daran interessiert, dass dem Institut die Ergebnisse regionaler Forschungen zugänglich gemacht werden, besonders auch die Arbeiten Anja Spiegels zur Werderaner Gruppe. Das Opferverzeichnis soll 2005 in Buchform erscheinen. Die Initiatoren bemühen sich derzeit bei der Moskauer Seite um einen Raum in den Gebäuden des Donskoi-Friedhofs, in dem, unter anderem durch Auslegen der Verzeichnisse, der deutschen, aber auch der polnischen, ungarischen, japanischen und russischen Stalinismus-Opfer gedacht wird.

Erhart Hohenstein

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