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KulTOUR: Zaubergesänge in eigener Sache

Kantele und finnischer Epos im „Haus der Klänge“ in Caputh

Schwielowsee · Caputh - Die erste Lehrerin der Menschheit, so sagt man gelegentlich, sei die Poesie gewesen. Sie vermittelte das Wissen von den Uranfängen der Welt durch das gesungene, oft von einem Instrument begleitete Wort. Kündete vom Wesen der Dinge, ihren Läufen, ihrem Geschick; und weil es nur eine davon gibt, ähneln ihre Gesänge und Lehren auf dem ganzen Globus einander.

Die finnische Variante der Kosmogonie war am Sonnabend, in Auszügen zwar, aber dennoch bezaubernd, im Caputher „Haus der Klänge“ zu hören, einem Privat-Anwesen der Bergstraße, wo Christine Rasch und Jürgen Motog ihrer gemeinsamen Leidenschaft für alles Nordische frönen. Dreimal im Jahr fahren sie in die kalten Klüfte und tundrischen Weiten Skandinaviens, erkunden Folklore und Lebensart der dortigen Völker, sammeln mit Eifer landestypische Instrumente wie auch Musik.

Damit ihr Wissen nicht einsam bleibe, laden sie regelmäßig ins nobel eingerichtete Hinterhaus jenes Namens zu Veranstaltungen ein. Holz im Parterre, ein trefflich ausgebautes Dachgeschoss, dessen Wände Luren, Hörner, Psalmodikon und diverse Kantelen zieren, sozusagen das Ur-Instrument jener Zonen, einer zu zupfenden oder zu streichenden Zither vergleichbar. Vorn eine kleine Bühne mit rotem Vorhang, gegenüber Platz für etwa 20 Besucher. Sanftes Licht, gedämpfte Stimmen, man schlüpfte sogar in Pantoffeln.

Mehr als ein Dutzend waren gekommen, um selber zu hören, „was die Kantele erzählt“. Zaubergesänge in eigener Sache: Wie sie in die Welt gekommen, verloren und neu geschaffen wurde, damit nur Freude und Wissen unter dem Menschengeschlechte sei.

Jürgen Motog, gebürtiger Westfale, spielte auf mehreren Instrumenten dieses Typs, bediente auch Gong und Akkordeon. Besonders das beharrlich wiederholte Leitmotiv wurde schöner, je öfter es erklang. Christine Rasch trug ausgewählte Teile aus der Kalevala vor, dem finnisch-karelischen Nationalepos, darin es von sagenhaften Kämpfen der Vorzeit wimmelt. Sänger hatten das stabgereimte Epos in 50 Gesängen über die Jahrhunderte weitergegeben, die Elias Lönnrot um 1850 in der heute verbindlichen Form niederschrieb. Dazu sang sie Teile daraus im Original, später auch einige nach Art der Vocalise.

Natürlich stand die Erschaffung der Kantele im Vordergrund, eine lange Geschichte aus vorgrauen Zeiten, als sich die Luftfee Ilmatar ins Wasser des Urmeeres begab, und, vom Winde geschwängert, 700 Jahre lang einen Sohn austrug, den großen Zauberer Väinämöinen. Zur Erinnerung an die Schöpfung der Welt sang jener Sohn der Wassermutter „Lieder von Zauberkraft“ mit Freude, von der man auch am Samstag etwas mehr verspüren wollte. Aus den „Knochen eines Hechtes“ schuf er die erste Kantele, bespannt mit dem Mähnenhaar des Hengstes Hiisi.

Der nordische Orpheus musizierte so schön, dass die Tiere sich tummelten, Föhren sich beugten und Wurzelstümpfe zu tanzen begannen. Als das Instrument verloren ging, baute er aus Birkenholz und dem Haar einer Jungfrau die zweite. Später verschwand Väinämöinen, wo Himmel und Erde sich treffen. Mit „einst wird man mich wieder brauchen “ endete der schöne Vortrag – und man schritt zum Buffet mit original karelischen Spezialitäten im gastfrohen, klingenden Haus.

Tag der offenen Tür am 25. März Caputh, Bergstraße 10

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