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Potenzial. Die Kleinmachnowerin Paula Ziehr will die Fähigkeiten der alleinerziehenden Mutter Ruqaiah Mubarak fördern.

© A. Klaer

Patenprojekt mit Flüchtlingen: Ziemlich beste Freundinnen

Eine Kleinmachnowerin und eine alleinerziehende syrische Mutter. Kennengelernt haben sich die beiden in einem Begegnungscafé. Die Geschichte eines Patenprojekts für Flüchtlinge.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Energisch klatscht Paula Ziehr in die Hände, sie wolle Karten für das Ballett bestellen, sagt sie auf Englisch mit amerikanischem Akzent. Die junge Syrerin Rukaiah Mubarak, die mit ihrem zweijährigen Sohn im Stahnsdorfer Flüchtlingsheim lebt, strahlt. Ballettaufführungen gefallen ihr. Bis vor Kurzem kannte sie die nur vom Hörensagen. Auch Radfahren oder Frisbeespielen waren ihr fremd. Paula Ziehr, ihre Patin aus Kleinmachnow, gehen die Ideen nicht aus: So vieles gibt es noch, was die 33 Jahre alte Rukaiah interessiert und wozu sie bisher keine Möglichkeit hatte.

„Ich unterstütze gerne andere Frauen“, sagt Paula Ziehr selbstbewusst. Die 55 Jahre alte gebürtige Amerikanerin lebt seit 35 Jahren in Deutschland und will vor allem eines: Rukaiah ermutigen, eine stolze, selbstbewusste Frau zu sein. Immer wieder betont Paula Ziehr, wie viele Fähigkeiten ihre Patentochter habe, wie schnell sie dazulerne. Kennengelernt haben sich die beiden vor rund sieben Monaten, im Begegnungscafé in Kleinmachnows Alter Schule am Zehlendorfer Damm.

Patenschaftskoordinatorin: „1:1-Hilfe halte ich für das Erfolgskonzept der Integration“

Jeden Sonntag seit gut einem Jahr treffen sich dort Flüchtlinge und Anwohner. Initiiert hat das Café Beate Apelt, Koordinatorin der Flüchtlingsarbeit in der Kleinmachnower evangelischen Kirchengemeinde. Mittlerweile sind die Sonntagnachmittage im Café gut besucht, rund 100 Gäste kommen regelmäßig. Das Patenprojekt, eines der Angebote aus dem Café, gibt es seit etwa acht Monaten. Über 70 Patenschaften hat Sabine Steglich, die Koordinatorin des Patenprojektes bereits zusammengebracht. Tendenz steigend: Stapelweise Zettel mit Wünschen zu Patenschaften liegen auf ihrem Schreibtisch, sie komme fast nicht mehr hinterher.

Anwohner aus Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf können auf den Zetteln angeben, mit wem sie eine Patenschaft eingehen möchten. „Anfangs war der Wunsch nach syrischen Familien mit Kindern groß“, sagt die 60-jährige Koordinatorin. Doch damals habe es in den Heimen in  Teltow und Stahnsdorf wenig syrische Familien gegeben. Sabine Steglich schaffte es trotzdem, Patenpaare auf den Weg zu bringen. „So kamen zum Beispiel ein sehr junger Mann aus Afghanistan mit einem älteren Ehepaar zusammen, sie sind für ihn mittlerweile eine Art Großeltern.“ Auch eine Familie mit erwachsenen Kindern hat die Patenschaft für einen jungen Mann aus Eritrea übernommen, „quasi ihr drittes Kind“, sagt Sabine Steglich. Und ein älterer, sehr einsamer Syrer hat eine Familie in der Region gefunden, die ihn beim Deutschlernen unterstützt. „1:1-Hilfe halte ich für das Erfolgskonzept der Integration“, sagt die Patenschaftskoordinatorin. Für viele ihrer Paare hat sie passende Stichwörter parat – Paula und Rukaiah sind für sie geballte Frauenpower.

Die junge Syrerin will Deutsch lernen, eine Qualifizierung als Buchhalterin bringt sie mit

Tatsächlich wirken die beiden Frauen selbstsicher und wie gute Freundinnen. Für Paula Ziehr ist die junge Mutter fast wie eine Tochter: „Der einzige Unterschied ist, dass wir diese furchtbare Phase mit dem Pubertätsstreit übersprungen haben“, sagt sie und lacht. Mehrmals in der Woche treffen sich die zwei Frauen, meistens ist der kleine Sohn von Rukaiah Mubarak, Noor, dabei. Der Zweijährige rast um Paula Ziehr herum, will mit ihr spielen, lässt sich von ihr kitzeln. Auch wenn er viel Aufmerksamkeit einfordert, „die Patenschaft ist zwischen mir und Rukaiah“, stellt die Kleinmachnowerin klar.

Der Fokus liegt auf der Integration der jungen Syrerin: Die alleinerziehende Mutter hat es geschafft, aus Syrien zu fliehen; sich und ihren Sohn in Sicherheit zu bringen. Jetzt will sie in Deutschland ankommen. In ihrer Heimatstadt im Südwesten Syriens habe sie früher Arabisch und Englisch unterrichtet. Auch eine Ausbildung als Buchhalterin habe sie absolviert. „Ich will im Computerbereich meine Kenntnisse vertiefen“, sagt die junge Syrerin. Das Warten auf die Aufenthaltserlaubnis werde genutzt, um Deutsch zu lernen, sagt Paula Ziehr und zeigt auf die vielen Sprachbücher auf dem Tisch.

Beide Frauen waren eins fremd in Deutschland. Die Patin, gebürtige Amerikanerin, kennt die Hürden

Die Frauen eint eine Erfahrung: Beide sind als Fremde nach Deutschland gekommen. Die Amerikanerin kann daher nachempfinden, mit welchen Hürden ihre Patentochter zu kämpfen hat. Das fange schon an der Supermarktkasse an: „Früher war mein Geldbeutel voller schwerer Münzen“, erzählt Paula Ziehr. Rukaiah Mubarak lacht, ja, das kenne sie sehr gut. „Als Fremder traust du dich nicht, an der Kasse lange nach Münzen zu suchen, man kennt die noch nicht so gut, muss sie sich genauer anschauen – das kostet Zeit, also gibt man lieber einen Schein.“

Als Paula Ziehr das sagt, blickt sie mit einem Lächeln zu der jungen Syrerin. Man spürt eine enge Bindung zwischen den Frauen. Paula ist für Rukaiah da, hört zu, wenn sie Sorgen hat und kümmert sich um sie. Sie verschafft der alleinerziehenden Mutter für sie so seltene Augenblicke ohne Kind. Dann gehen die Frauen schwimmen, ins Ballett oder ins Kino.

Oft kommt Rukaiah auch zu Paula nach Hause, dann wird unter anderem Deutsch unterrichtet oder gemeinsam gekocht. „Paula ist jetzt meine Familie“, sagt die junge Mutter. Eine leibliche Schwester der Syrerin lebt in Dortmund, das sei weit weg von Stahnsdorf. Ihr Blick schweift kurz in die Ferne, dann schüttelt sie leicht den Kopf, fängt sich wieder und sagt selbstbewusst: „Ich glaube an mich selbst und an Paula.“

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