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Tausende bei „Brandmauer“-Demo in Potsdam: Oberbürgermeister Schubert fordert mehr Geld für Integration
Nach der Abstimmung zur Migrationspolitik im Bundestag demonstriert das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ vor dem Landtag. Stadtchef Schubert spricht in seiner Rede von einem Tabubruch.
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Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntagnachmittag auf dem Alten Markt in Potsdam demonstriert. Dazu hatte das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ aufgerufen. Anlass war die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD im Bundestag für eine verschärfte Migrationspolitik.
„Wir sehen mit größter Sorge, wie zunehmend versucht wird, unser gesellschaftliches Fundament zu untergraben“, hieß es im Aufruf. „Die Brandmauer gegenüber inhumanen Positionen darf nicht brüchig werden und sich weiter in die Mitte der Gesellschaft verschieben.“
Gegen 14 Uhr hatten sich geschätzt rund 3000 Menschen zwischen dem Brandenburger Landtag, dem Potsdam Museum und der Nikolaikirche versammelt, darunter auch Stadtpolitiker verschiedener Parteien. Zu sehen waren selbstgebastelte Pappschilder ebenso wie die Fahnen von Gewerkschaften und Parteien wie Grüne und Linke.

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Auf der Kirchentreppe war ein kleines Rednerpult aufgebaut. Daneben stand eine symbolische Brandmauer aus Kartons. Darauf waren Begriffe wie Respekt, Vielfalt und Anstand geschrieben sowie der Satz: „Wir sind die Brandmauer.“
Zum Bündnis gehören derzeit 73 Mitgliedsorganisationen. Darunter sind der Mieterverein, die Pro Potsdam, der Fanfarenzug, die Universität und die Polizeiinspektion als beratendes Mitglied. In der Vergangenheit hatte das Bündnis vor allem gegen rechte Aufmärsche mobilisiert, aber auch zu Gedenkveranstaltungen zum Holocaust eingeladen. Den Vorsitz hat qua Amt Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
Tabubruch, aber kein Versehen
Er sprach am Sonntag auch das einleitende Grußwort. Darin sagte er, die Vorgänge im Bundestag seien ein Tabubruch, aber kein Versehen. „Es gibt keine Garantie, dass es dabei bleibt.“ Damit die Gesellschaft nicht nach rechts kippe, sei ein Gegengewicht nötig. „Man muss wissen, auf welcher Seite man steht.“ Statt mehr Geld für die Grenzsicherung auszugeben, benötigten die Kommunen mehr Geld für die Integration.

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Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Angelika Zädow sagte, es sei schön und ermutigend, dass so viele Menschen gekommen seien. „Wir beziehen klare Position gegen jede Form von Rassismus und Ausgrenzung.“
Fereshta Hussain, Vorsitzende des Potsdamer Migrantenbeirats, beklagte, Migranten würden von der CDU verallgemeinernd als Gefahr wahrgenommen. Holger Zschoge sprach für das Antifa-Netzwerk Potsdam: „Widerstand ist nötig gegen alle Formen von Hetze und Ausgrenzung – nicht nur gegen die AfD.“
CDU erwägt Austritt aus „Potsdam bekennt Farbe“-Bündnis
Vor einem Jahr hatten sich deutlich mehr Menschen zur Demonstration auf dem Alten Markt versammelt. Anlass waren seinerzeit die Enthüllungen über ein rechtes Geheimtreffen in der Potsdamer Villa Adlon. Allerdings fiel die Kundgebung am 14. Januar 2024 nicht in die Ferienzeit.
Damals hatten auch CDU-Vertreter teilgenommen. Inzwischen erwägt die Potsdamer CDU allerdings einen Austritt aus dem Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“. Am Sonntag stand vor der Parteizentrale in der Gregor-Mendel-Straße auch ein Polizeifahrzeug. In den vergangenen Tagen waren in mehreren anderen Städten CDU-Büros beispielsweise mit Farbbeuteln beworfen worden.
Jüdische Gemeinde in Potsdam „zutiefst besorgt“
Am Samstag setzten mehrere Hundert Menschen in Cottbus mit Kerzen ein Zeichen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Ein breites Bündnis folgte dem Aufruf der Initiative „Unteilbar Südbrandenburg“ unter dem Motto „Lichter der Demokratie“ in der Innenstadt.
Am Wochenende hatte sich auch die Potsdamer Jüdische Gemeinde geäußert. „Wir sind zutiefst besorgt und befürchten eine weitere Stärkung extremistischer Kräfte und Schwächung unserer Demokratie“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Stadt Potsdam, Evgeni Kutikow, der dpa.
„Sich in der Abstimmung im Bundestag in der so zentralen Frage der Migration auf die AfD zu stützen, ist ein Schulterschluss mit einer Partei, die die Demokratie zerstören will und eine Ideologie vertritt, die dem Grunde nach antisemitische Züge trägt und den Holocaust relativiert.“
Die Empörung über das Vorgehen von Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der auch Spitzenkandidat von CDU und CSU zur Bundestagswahl ist, ist groß.
Die Brandenburger Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen und der Linken lehnten das Migrationsgesetz der Union ab, die Parlamentarier von CDU, AfD und FDP stimmen dafür. Das geht nach Angaben des Bundestags aus dem Abstimmungsergebnis hervor. Insgesamt lehnten 14 Abgeordnete aus Brandenburg den Gesetzentwurf für eine begrenzte Migration ab, elf stimmten mit Ja. Die „Märkische Allgemeine“ berichtete zuvor darüber.
Streit über Umgang mit der AfD
Brandenburgs CDU-Landeschef Jan Redmann hatte den gescheiterten Gesetzentwurf verteidigt. Eine klare Korrektur der Asylpolitik sei nötig. Der kommissarische Generalsekretär der Brandenburger SPD, Kurt Fischer, warf Unionsfraktionschef Merz einen Irrweg mit Tabubruch vor. AfD-Landeschef René Springer sagte, es gebe eine Mehrheit für eine „migrationspolitische Wende“ im Land.
Linke-Landeschef Sebastian Walter sprach von einem Tiefpunkt der demokratischen Kultur. Die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl warnte nach der Migrationsdebatte, die Merz-CDU, aber auch FDP und BSW würden die Brandmauer gegen die AfD Stück für Stück zerlegen. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg warf SPD und Grünen auf der Plattform X vor, sie hätten sich dafür entschieden, Lösungsmehrheiten jenseits der AfD zu verweigern. (mit dpa)
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