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Die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen.

© JONATHAN NACKSTRAND/AFP

Update

Nur ein Sitz Vorsprung bei Dänemark-Wahl: Frederiksens linkes Lager holt hauchdünne Mehrheit

Auch dank Hilfe aus Grönland gewinnt das Bündnis die Wahl. Dennoch reicht die Ministerpräsidentin den Rücktritt ein, um eine breite Regierung formen zu können.

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Bei den Parlamentswahlen in Dänemark hat sich das Linksbündnis um die Sozialdemokraten der amtierenden Ministerpräsidentin Mette Frederiksen eine Mehrheit mit nur einem Sitz Vorsprung gesichert. Wie das nach Ende der Auszählung in der Nacht auf Mittwoch veröffentlichte Endergebnis ergab, entfielen auf Frederiksens „roten Block“ insgesamt 90 von 179 Sitzen im dänischen Parlament - und somit eine knappe Regierungsmehrheit.

Das „blauer Block“ genannte Bündnis aus Liberalen, Konservativen und Rechtspopulisten kam auf 73 Sitze. Auf dem dänischen Festland bekam Frederiksens „roter Block“ 87 Sitze, hinzu kamen drei Sitze in Grönland und auf den Färöer-Inseln. Die Moderaten-Partei von Ex-Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen zieht mit 16 Abgeordneten erstmals in Parlament ein.

Frederiksens Sozialdemokraten sind die eindeutigen Sieger der Wahl: Für die Partei stimmten 27,5 Prozent der Wähler, wodurch sie auf 50 Sitze im Parlament in Kopenhagen kam. Im Vergleich zur Wahl im Jahr 2019 legte die Partei um 1,6 Prozentpunkte zu. Es ist ihr bestes Wahlergebnis seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Die 44 Jahre alte Frederiksen führt Dänemark seit 2019 mit einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung, die meist auf parlamentarische Unterstützung linksgerichteter Parteien setzt, etwa in der strikten Einwanderungspolitik aber auch auf Stimmen von rechts.

Das Wahlergebnis wird als Vertrauensbeweis für den Umgang der Ministerpräsidentin mit der Pandemie und ihre Führungsstärke bei der Bewältigung der derzeitigen Krisen gewertet. Vorherrschende Themen im Wahlkampf waren neben dem Kampf gegen die Inflation vor allem Klimafragen und die Gesundheitspolitik. Die Zuwanderung spielte keine Rolle, in dem EU-Land herrscht seit gut 20 Jahren parteiübergreifende Einigkeit hinsichtlich einer restriktiven Einwanderungspolitik.

Frederiksen reicht Rücktritt ein

Trotz der Last-Minute-Mehrheit für das linksgerichtete Lager um ihre regierenden Sozialdemokraten kündigte Frederiksen an, umgehend den Rücktritt ihrer Minderheitsregierung einzureichen. Zwar hätten sie ihr bestes Wahlergebnis seit 20 Jahren eingefahren, sagte Frederiksen am frühen Mittwochmorgen vor Parteianhängern in Kopenhagen. „Es ist auch klar, dass hinter der Regierung in ihrer jetzigen Form keine Mehrheit mehr steht.“ Sie wolle deshalb am Mittwoch zu Königin Margrethe II. gehen und den Rücktrittsantrag ihrer Regierung einreichen.

Damit will sie den Weg freimachen, um die Möglichkeiten für eine von ihr angestrebte breite Regierung mit Parteien aus beiden politischen Blöcken ausloten zu können. Solch eine Regierungsform ist in Dänemark selten - nach Ansicht von Frederiksen angesichts der aktuellen Krisen aber genau das Richtige. Wähle eine Mehrheit der Parteien sie als Sondierungsbeauftragte aus, werde sie prüfen, ob sich die Bildung einer breiten Regierung machen lasse. Eine solche Konstellation würde Dänemark guttun, bekräftigte Frederiksen.

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„Danke an alle Dänen, die uns ihre Stimme gegeben haben, das ist ein großer Vertrauensbeweis. Ich weiß, dass einige von Ihnen dabei Zweifel hatten“, sagte Frederiksen weiter. Das Land habe sich viele Jahre lang an den Fortschritt gewöhnt und sehe sich nun mit Schwierigkeiten konfrontiert. „Mit dem Krieg in Europa, der Energieknappheit, der Inflation und den klimatischen Herausforderungen kommen die Krisen zusammen.“

Dramatischer Wahlabend

Zuvor hatte Deutschlands nördlicher Nachbar einen der dramatischsten Wahlabende seiner Geschichte erlebt. Prognosen und Hochrechnungen hatten lange Zeit angezeigt, dass weder das rote linksgerichtete Lager noch das blaue Mitte-rechts-Bündnis auf eine Mehrheit kommen würde. Die Schlüsselrolle zwischen den Blöcken hatte zu dem Zeitpunkt der frühere Regierungschef Lars Løkke Rasmussen mit seiner neuen zentristisch-liberalen Partei Die Moderaten inne.

Nach Auszählung aller im Land abgegebenen Stimmen kippte das Bild dann in allerletzter Minute nach links: Der rote Block sprang auf 87 Mandate, während der blaue Block auf 72 kam, 16 entfallen auf Løkkes Moderate. Für eine Mehrheit im dänischen Parlament in Kopenhagen sind 90 der 179 Sitze notwendig. 175 dieser Mandate werden in Dänemark vergeben, jeweils zwei in Grönland und auf den Färöer-Inseln, die beide offiziell zum Königreich Dänemark zählen. Die färöischen Mandate wurden bereits am Montag unter den beiden Blöcken aufgeteilt.

Am frühen Mittwochmorgen gingen dann nach Auszählung fast aller Stimmen die beiden grönländischen Mandate - wie schon bei den letzten sechs Wahlen - an den roten Block. So kommt das linke Lager am Ende auf genau 90 Mandate kommen. Frederiksen hatte im Wahlkampf jedoch mehrmals betont, eine breite Regierungszusammenarbeit über die politische Mitte hinweg anzustreben.

Eine zentrale Frage wird bei den künftigen Regierungsverhandlungen sein, inwieweit Frederiksen mit ihrem Vorgänger Løkke kooperieren kann. Dieser war von 2009 bis 2011 sowie zwischen 2015 und 2019 Ministerpräsident. Er war 2021 nach Jahrzehnten aus der liberal-konservativen Partei Venstre ausgetreten. Danach hatte Løkke die Moderaten gegründet, die bei ihrem Debüt nun mit vorläufigen 9,3 Prozent der Wählerstimmen gleich drittstärkste Kraft werden.

Durch das Wahlergebnis ist Frederiksens Verhandlungsposition entscheidend verbessert: Gehen die zwischen den Blöcken stehenden Moderaten von Løkke oder Parteien des blauen Blocks bei den möglichen Verhandlungen nicht auf ihre Forderungen ein, könnte sie mit der Aussicht großen Druck ausüben, stattdessen wieder auf ihr rotes Lager zu setzen. Diese linksgerichteten Parteien unterstützen Frederiksens bisherige rein sozialdemokratische Minderheitsregierung bereits heute im Parlament.

In manchen Dingen wie ihrer strikten Einwanderungspolitik setzte Frederiksen aber häufiger auch auf Stimmen von rechts. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatte es zudem eine blockübergreifende Zusammenarbeit in Militärfragen gegeben, auch bei der Unterstützung der Däninnen und Dänen im Kampf gegen die stark gestiegenen Energiepreise wurde zuletzt zusammengearbeitet. (dpa, AFP)

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