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© Jana Bobkova

Saunadiplomatie in Berlin: Heiße Verhandlungen vor dem Aufguss in der finnischen Botschaft

Der frühere Präsident Urho Kekkonen kam sogar in der Sauna zur Welt. Für Finnen gibt es keinen besseren Ort, ihre Kultur zu erklären.

Nackt die Probleme der Welt lösen? Vielleicht ist das keine schlechte Idee. Denn in der Sauna sind alle Menschen gleich. Das sieht man zwar auch, aber so lautet eine finnische Regel fürs Saunieren. Und da man es länger als 10 bis 15 Minuten eh nicht aushält, hilft der Zeitdruck dabei, Probleme wirklich pragmatisch anzugehen.

Finnland ist gewissermaßen die Heimstatt der Sauna. Aus dem Land kommt auch der Begriff „Saunadiplomatie“. Und die Finnen haben sogar im Gebäude der Nordischen Botschaften in Tiergarten die „Diplomatic Sauna Society Berlin!“ gegründet.

Energieeffiziente Sauna-Öfen

„Wir haben zwei Saunen“, erzählt Tanja Huutonen von der Botschaft. Sie ist immens stolz darauf, dass es sogar ein Echtheitszertifikat gibt. Extra habe man energieeffiziente Harvia-Öfen besorgt.

„Bei uns saunieren Männer und Frauen getrennt. Wer will, kann auch ein Handtuch umbinden“, sagt Huutonen. Es sei gestattet, zu plaudern. Wenn sie mit ihren Freundinnen in die Sauna geht, werden dort durchaus auch ernsthaftere Probleme durchgesprochen.

Keiner wedelt mit dem Handtuch

Ansonsten gibt es keine Regeln in einer echten finnischen Sauna. Man werde dort keine Sanduhr finden, jeder bleibe, solange er mag. Es gebe auch keinen sogenannten Saunameister, der mit dem Handtuch wedelt. Sie muss ein bisschen lachen, wenn sie von Beobachtungen in für sie exotischen deutschen Saunen erzählt.

Einen Aufguss macht man in Finnland, wenn einem gerade danach ist. „Allerdings ist es auch bei uns höflich, zuerst zu fragen, ob es den anderen recht ist, wenn man heißes Wasser auf die Steine kippt.“ Ihr tut das gut, wenn es viele Aufgüsse gibt, zu heiß und zu trocken mag sie es nicht.

Das gibt so eine weiche Atmosphäre.

Tanja Huutonen

Und wenn Tanja Huutonen etwas an ihrer Heimat vermisst in Berlin, dann sind es die Saunen. Ihr Elternhaus hat drei. Eine größere aus Holz im Innern des Hauses. Eine Rauchsauna, die besonders im Sommer genutzt wird. Die wird zunächst ganz aufgeheizt, bis sie innen schwarz ist vom Rauch, der erst ganz zum Schluss abgelassen wird.

„Das gibt so eine weiche Atmosphäre“, schwärmt sie. „Es ist auch natürlicher.“ Ihr Bruder sei ein Meister darin, sie anzufeuern. Für den Winter und besonders für Weihnachten gibt es noch eine kleine Sauna im Wald draußen neben dem Teich. „Da schlagen wir ein Loch hinein und tauchen kurz unter nach dem Saunagang“, erzählt sie. Supergut tue das. „Danach habe ich keine Probleme mehr.“

Saunen gibt es in vielen Formen. Kürzlich haben drei Studenten eine mobile Sauna auf Rädern mit dem Elektroauto nach Berlin gebracht, um ein Signal für die Nachhaltigkeit zu setzen.

Heimwehkrank nach der Sauna

Eingeladen werden in die Botschaftssauna alle, die sich für finnische Kultur interessieren oder für das Land allgemein. Manchmal wird sogar gekocht dort. Einen besseren Ort kann sich Tanja Huutonen nicht vorstellen, um über finnische Kultur zu sprechen. Auch Prominente, die Gefahr laufen, ohne die echte finnische Sauna heimwehkrank zu werden, finden dort ein dampfig heißes Asyl.

Der Fußballer Joel Pohjanpalo war schon zu Gast in der finnischen Sauna der Nordischen Botschaften und auch der bekannte Designer Klaus Haapaniemi vergoss dort seinen Schweiß, ganz ohne zu arbeiten. Klar, dass auch die Gäste bei der Mittsommerparty saunieren dürfen, egal, welche Temperaturen der Tag von selbst mitbringt. Im Innenhof wird dann ein als Sauna umgewidmetes altes Feuerwehrauto aufgestellt.

Geburt in der Sauna

Es war der finnische Präsident Urho Kekkonen, der die Saunadiplomatie populär gemacht hat. Er lebte von 1900 bis 1986 und sei sogar in einer Sauna geboren worden, weiß Tanja Huutonen.

Es sei noch zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs üblich gewesen, die Kinder am wärmsten und saubersten Platz im Haus zur Welt zu bringen. Wer das ganze Leben im selben Haus verbrachte, kehrte dorthin in der Regel auch zur letzten Waschung nach dem Tod zurück.

In einem hoch technologisierten Land sind solche Sitten heute zwar überholt, aber die Sauna gilt den Finnen immer noch als Seele des Landes.

Um die ranken sich allerlei Legenden. Urho Kekkonen etwa soll in der Sauna den Sowjetführer Nikita Chruschtschow dermaßen ins Schwitzen gebracht haben, dass der schließlich seine Zustimmung Beitritt Finnlands in die Europäische Freihandelszone gab, den er ursprünglich abgelehnt hatte.

Das Sprichwort „Die Sauna macht das Fleisch weicher“, sei den Finnen auch daher geläufig. „In den 70er-Jahren war es ganz normal, dort wichtige Entscheidungen zu treffen.“ Heute sei das in gleicher Weise nicht mehr möglich, schränkt Tanja Huutonen ein.

Allerdings gibt es im finnischen Parlament auch eine Sauna, wie in praktisch allen finnischen Botschaften auf der Welt. Für alle Fälle. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja ein Comeback. Ach ja, vollständig geht die finnische Regel so: „Alle Menschen sind gleich, aber nirgends so sehr wie in der Sauna.“

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