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© AFP

100-Meter-Lauf: Sprinten gegen die Panik

Heute um 16.30 Uhr deutscher Zeit wird sich Tyson Gay über 100 Meter mit Asafa Powell und Usain Bolt messen - an den Start begleitet sie eine gewisse Skepsis hinsichtlich stimulierender Mittel.

Dieser Mann kann ein Stadion zum Toben bringen? Kaum vorstellbar bei jemandem, der auf dem Podium des olympischen Medienzentrums so klein wirkt, der langsam spricht und sich dabei anfangs so anhört, als kämen seine Worte ins Stolpern. Und der eine Geschichte erzählt, als sei er selbst nur ein Fan. „Bei der Eröffnungsfeier kam Kobe Bryant zu mir und fragte mich, wie es meinem Bein gehe. Das fand ich verrückt. Ich habe gleich meine Mutter angerufen und ihr erzählt, dass Kobe Bryant weiß, dass ich eine Beinverletzung hatte.“

In den USA mag Tyson Gay bewundernd zu einem Basketballstar wie Kobe Bryant aufschauen, doch bei den Olympischen Spielen ist seine Disziplin meist das größte Spektakel. Auch heute beim Finale über 100 Meter wird das Stadion schon unruhig werden, wenn Gay sich noch aufwärmt. Selbst viele Dopingfälle und noch einmal mindestens genauso viele Verdächtigungen haben daran nichts ändern können.

Es ist eine neue Generation

Tyson Gays Auftritt vor dem Finale war eher ein Beleg dafür, dass die neue Generation von Sprintern sich von ihren Vorgängern gelöst hat. Die Zeiten scheinen vorbei, als es bei den 100 Metern noch einen Nebenwettbewerb gab, wer sich selbst am besten anpreisen könne. Das war noch so, als etwa Maurice Greene lief, Olympiasieger von Sydney 2000, der sich auf den Arm „GOAT“ tätowieren ließ, „Greatest Athlete Of All Times“.

Am Samstag dagegen werden vor allem drei Männer das Rennen unter sich ausmachen, die bislang hauptsächlich über ihre sportliche Leistung aufgefallen sind: der Amerikaner Tyson Gay und die beiden Jamaikaner Asafa Powell und Usain Bolt. Auch Powell und Bolt treten zurückhaltend auf. Pastorensohn Powell macht ab und zu noch Musik in der Gemeinde seiner Eltern. Nachdem er im vorigen Jahr im WM-Finale von Osaka als Inhaber des Weltrekords Tyson Gay unterlegen war und Bronze gewonnen hatte, sprach er offen über die eigene Schwäche. „Als Tyson vorne war, habe ich Panik bekommen.“ Panik? Ein Weltrekordhalter?

Ungeliebte Favoritenrolle

Inzwischen ist Powell diesen Rekord los, er hat ihn an den erst 21 Jahre alten Usain Bolt verloren, der ihn in diesem Jahr um zwei Hundertstel verbesserte und nun mit 9,72 Sekunden hält. „Er hat sich bei mir bedankt und gesagt, dass ich eine Menge Druck von ihm genommen habe“, berichtete Bolt in Peking von Powells Reaktion. In der vorangegangenen Generation war die Favoritenrolle eine Auszeichnung. Jetzt will sie ein ehemaliger Weltrekordhalter nicht mehr haben.

Über die zurückhaltende Art der drei besten Sprinter gibt es noch eine Mutmaßung: weniger Testosteron. Sie würden mit neuartigen Substanzen nachhelfen, die eben nicht mehr die Nebenwirkung hätten, sich aufzuführen, als sei man der Allerschärfste. Indizien gibt es dafür bisher nicht, die Sprinter gehören zu den am häufigsten getesteten Athleten. Die Aussagekraft eines negativen Dopingtestes allerdings ist begrenzt.

Auf jeden Fall sind sie schneller als ihre Vorgänger, und jeder von ihnen kommt mit einer besonderen Empfehlung heute zum Finale ins Nationalstadion von Peking: Tyson Gay als Weltmeister, Usain Bolt als Weltrekordhalter und Asafa Powell als der in der Spitze schnellste Läufer. Fünf Mal ist er schon schneller als 9,8 Sekunden gelaufen. Einen großen Titel hat er jedoch noch nicht gewonnen. Powell hofft nun, dass sich das ganze Stadion auf ein Duell Weltmeister gegen Weltrekordhalter  konzentriert – das würde ihm möglicherweise genug Windschatten geben, um am Ende vorne zu sein. (Samstag, 16.30 Uhr, live im ZDF)

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