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Auf die nächsten 50 Jahre. Am Mittwoch trafen sich die aktuelle Mannschaft und auch Bernd Schröder auf ein Schlückchen zum Jubiläum.

© Julius Frick/Imago

50 Jahre Turbine Potsdam: Vierzig Frauen und ein Bernd Schröder

Vor 50 Jahren lud ein Aufruf an der Wandzeitung zum ersten Mannschaftsabend. Heute gilt der 1. FFC Turbine Potsdam als Pionierklub in einer Männerdomäne.

Zufall und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Das sind die Geburtshelfer, als vor 50 Jahren der Frauenfußballklub Turbine Potsdam gegründet wurde. Die Mitarbeiterinnen des damaligen Volkseigenen Betriebes Energieversorgung Potsdam meinten, dass sie weitaus besser Fußball spielen könnten als die männlichen Kollegen ihrer Betriebssportgemeinschaft. „Gründen Frauen Fußball Mannschaft“ stand daher kühn handgeschrieben auf einem Zettel an der Wandzeitung des Betriebes.

Wer interessiert war, sollte sich am Abend des 3. März im Klubhaus des Betriebes einfinden. 40 Frauen kamen – und einer saß zufällig am Nachbartisch beim Abendessen: Bernd Schröder. Es sollte der Beginn einer langen, leidenschaftlichen und erfolgreichen Beziehung werden. Der damals 28 Jahre alte Abteilungsleiter bot sich – weil niemand anderes da war – an jenem Abend des 3. März 1971 als Trainer an und blieb es mehr als 40 Jahre.

Die Anfänge des 1. FFC Turbine Potsdam sind unzählige Male erzählt worden und dennoch werden sie immer wieder gern gehört. Weil sie so authentisch, bodenständig und herzlich sind, wie der Verein in all den 50 Jahren geblieben ist. Trotz seiner Erfolge mit sechs DDR-Meistertiteln, sechs deutschen Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiegen und zwei Champions-League-Erfolgen ist der Verein das geblieben, was er von Beginn an war: Eng verbunden mit seiner Heimatstadt Potsdam und den Menschen von hier.

Das hat viel mit Bernd Schröder zu tun, der über vier Jahrzehnte den Verein prägte wie kein anderer. Der Mann aus dem Erzgebirge lebte Tugenden wie Treue und Fleiß und Zielstrebigkeit konsequent und leidenschaftlich vor. Als zum ersten Training am Tag nach dem abendlichen Treffen im Betriebsklubhaus 40 Frauen auf dem Platz standen, erklärte Schröder in seiner unmissverständlichen Art: „Wir machen hier Leistungssport!“

20 Frauen blieben und wurden zu den ersten Vertreterinnen eines Potsdamer Frauenfußballs, dessen Merkmale bis heute den Spielerinnen ins Vertragswerk geschrieben werden: arbeiten, laufen, kämpfen. Das waren die Grundsteine, auf denen die spätere Weltfußballerin Nadine Kessler oder Nationalspielerinnen wie Jennifer Zietz, Nadine Angerer, Anja Mittag oder Ariane Hingst ihre erfolgreichen Karrieren gründeten.

Zwischen 2004 und 2012 war Potsdam die Top-Adresse des Frauenfußballs

Große Namen des deutschen Frauen-Fußballs und Turbine Potsdam wurden über die Jahre zu einer gängigen Kombination. In seinen erfolgreichsten Jahren als Serienmeister und Doublesieger zwischen 2004 und 2012 avancierte der 1. FFC Turbine Potsdam, wie der Klub seit seiner Neugründung am 1. April 1990 heißt, zu einer Top-Adresse für nationale und internationale Spielerinnen.

Wer hungrig auf Titel war und sich täglich an und mit den besten Kickerinnen messen wollte, zog Turbine Potsdam ins Kalkül. Es verrät viel über Bernd Schröders Trainingsphilosophie, wenn er erklärt, dass Turbine immer ein Ausbildungsverein war. Viele Spielerinnen seien als „No Names“ gekommen und sind als umworbene und gefragte Kickerinnen gegangen.

Als die Erfolge rarer wurden und Bundesligavereine wie der VfL Wolfsburg und der FC Bayern begannen, eigene Frauen-Mannschaften zu etablieren und den Frauenfußball zu professionalisieren, geriet Potsdam etwas ins Hintertreffen. Heute sieht Trainer Sofian Chahed den Klub mehr denn je als Verein, in dem junge Talente reifen und sich entwickeln können. Mit den Strukturen einer Eliteschule des Sports inklusive Internat und den Trainingsbedingungen am Olympiastützpunkt im Potsdamer Luftschiffhafen hat Turbine beste Voraussetzungen für eine gute Nachwuchsarbeit.

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Die Kontinuität bei Turbine Potsdam war lange Zeit ein Rezept und Grund für den sportlichen Erfolg. Nach Bernd Schröder und Matthias Rudolph ist der Ex-Hertha-Profi und Jugendcoach erst der dritte Trainer in der 50-jährigen Vereinsgeschichte.

Doch wandelt sich der Frauenfußball seit einigen Jahren zunehmend. Sieben der zwölf Vereine in der ersten Frauen-Fußballbundesliga sind in die Profistrukturen der Männerklubs integriert. Mit RB Leipzig und Borussia Dortmund folgen weitere. Für sie war Turbine Potsdam ein Wegbereiter, ein Pionier in einer Männerdomäne, ein Vorreiter für mehr Akzeptanz und zur Stärkung des Frauenfußballs. Im 50. Jahr seiner Geschichte kann sich der Klub diesen Verdienst ans Festgewand heften.

Doch ist die Zeit schnelllebig, in der Erfolg und Verdienste schnell vergänglich sind. Auch wenn Turbine Potsdam ein unabhängiger und eigenständiger Frauen-Fußballklub bleiben möchte, wird er sich weiter professionell aufstellen und entwickeln müssen, um im Konzert mit den Lizenzklubs erfolgreich zu sein und eine sichtbare Gütemarke des deutschen Frauenfußballs zu bleiben.

Auch er braucht neue Impulse und Innovationen, die unter anderem durch eine Kooperation mit Hertha BSC entstehen soll. Vor allem aber wird sich Turbine seiner Tugenden bedienen müssen, die seit 50 Jahren für den Klub prägend sind: Selbstbewusstsein, Fleiß und Leidenschaft.

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