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Sport: Abpfiff

Pierluigi Collina war als Schiedsrichter bekannter als viele Spieler – heute leitet er sein letztes Spiel

Es gibt wenige Menschen, die kein Fußballprofi sind und trotzdem in der Branche einen sehr hohen Bekanntheitsgrad genießen. Erst recht nicht unter den Schiedsrichtern. Pierluigi Collina ist eine der wenigen Ausnahmen – ein Fußballstar, der kein Fußballer ist. Das mag auch einer Äußerlichkeit geschuldet sein, dem fehlenden Haupthaar des Italieners, vor allem aber der resoluten und überzeugenden Manier, in der Collina seit Jahren Spiele auf den großen Bühnen leitet. Bühnen, die der Italiener nun verlassen muss. Das heutige Relegationsspiel zwischen Bologna und Parma um den Klassenerhalt in der ersten italienischen Liga ist sein letztes Spiel. Collina hat bereits im Februar die in Italien gültige Altersgrenze für Schiedsrichter von 45 Jahren überschritten. Das ist ein Alter, in dem Collina auch keine internationalen Spiele mehr pfeifen darf: Trotz allen Drängens will der Internationale Fußball-Verband Fifa auch in seinem Fall keine Ausnahme machen.

Vielleicht bekommt Pierluigi Collina ja doch noch eine Nachspielzeit, allerdings würde die nicht in Italien stattfinden: Collina könnte in der englischen Premier League noch eine Weile aktiver Schiedsrichter sein, denn dort liegt die Altersgrenze für Schiedsrichter, anders als bei der Fifa und in Italien, bei 48 Jahren. Collina hat sich zu etwaigen Offerten aus England allerdings bislang nicht äußern wollen. Wahrscheinlicher ist, dass er künftig oberster Zuteiler von Schiedsrichtern in der italienischen Liga wird, dieses Angebot hat ihm der Verband unlängst gemacht. Zudem ist von Imagekampagnen für den Fußball die Rede, die Fifa-Präsident Joseph Blatter mit Collina als Werbeträger führen will.

Seinen markanten Glatzkopf hat Collina wegen einer Stoffwechselkrankheit. Bereits mit 26 Jahren verlor er sein komplettes Haupthaar. Den unverwechselbar stechenden Blick seiner blauen Augen, seine Grimassen und seine autoritätsheischenden Gesten hat er sich selber antrainiert. Sie sind Ausdrucksformen seiner Persönlichkeit, des großen Showtalents des Pierluigi Collina.

240 Spiele der Serie A hat Collina seit 1991 gepfiffen oder „dirigiert“, wie die Zeitungen in seinem Land bisweilen schrieben. Die Olympischen Spiele von Atlanta 1996, das Finale zwischen Nigeria und Argentinien, waren sein erster großer Auftritt auf der globalen Bühne. Es folgten etliche Auftritte in der Champions League, bei Europameisterschaften und natürlich die Weltmeisterschaften 1998 und 2002. Bei der WM 2002 pfiff er sogar das Finale, nach dessen Ende er einen für einen Schiedsrichter außergewöhnlichen Auftritt hatte. Nach der 0:2-Niederlage Deutschlands gegen Brasilien, als Torwart Oliver Kahn frustriert vor seinem Torpfosten saß, ging Collina zu ihm und sagte ein paar tröstende Worte. Als der Schiedsrichter gefragt wurde, warum er das getan habe, sagte Collina: „Es ist wunderbar, die Emotionen mit jemand zu teilen, der soeben Weltmeister wurde, aber es ist noch wichtiger, die Gefühle eines Verlierers zu verstehen.“

Pierluigi Collina hat sich auf jedes Spiel nicht nur mit hartem körperlichen Training vorbereitet, sondern er hat auch genauestens die Mannschaften studiert, mit denen er es zu tun bekam: „Du musst die Taktik kennen, die Eigenheiten der Spieler, alles“, hat Collina einmal gesagt. „Du musst wissen, was passieren kann, nicht einfach nur auf Aktionen reagieren.“

Collina war der Großverdiener unter den Schiedsrichtern. Rund 300 000 Euro hat er im Jahr verdient, höchstens die Hälfte davon auf dem Spielfeld. Den anderen Teil hat der Fußballstar, der kein Fußballer ist, aus seinen vielen Werbeverträgen erhalten. Für einen Schiedsrichter war das vor Collina ungewöhnlich – und wird es wohl in der Zeit nach Pierluigi Collina auch wieder werden.

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