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Drogba

© Reuters

Afrika-Cup: Wichtiger als die WM

Der Afrika-Cup bringt den Afrikanern Stolz, wirtschaftlichen Aufschwung – und Ärger mit den Europäern.

Gustavo ist der Stolz ins Gesicht gemeißelt. Mit einem Lächeln weist er auf die Anschnallpflicht hin, bevor er seinen Taxameter einschaltet und langsam Kurs Richtung Luanda-City nimmt. „Schönes Auto, schönes Wetter, alles wunderbar, oder?“ Wunderbar, und am Wochenende beginnt auch noch der Afrika-Cup in Angola. Der einstigen portugiesischen Kolonie in Südwest-Afrika, die in mehr als 25 Jahren Bürgerkrieg beinahe vollständig zerstört wurde. Seit 2002 ist der furchtbare Krieg vorbei, seither wird das Land ganz langsam wiederaufgebaut. Dabei soll das Fußball-Großereignis helfen.

Wo der Afrika-Cup stattfindet, fließt Geld in den Aufbau von Infrastruktur: Hotels, Stadien, Flughäfen, Straßen. Es gehört seit geraumer Zeit zur Politik des Afrikanischen Fußballverbandes (CAF), dass die alle zwei Jahre stattfindende Kontinental-Meisterschaft immer mal wieder auch in jene Länder vergeben wird, die solche Aufbauhilfe am dringendsten benötigen. 1998 profitierte Burkina Faso, 2002 bekam Mali neue Hotels, Stadien und Straßen, 2008 brachte das Turnier Ausrichter Ghana immerhin eine neue Autobahn und drei neue Stadien. Luanda hat sie auch Taxis gebracht. Seit Weihnachten chauffiert ein Unternehmen mit 150 brandneuen Kleinwagen jene Reisenden, die bislang darauf angewiesen waren, sich zu völlig überzogenen Preisen in privaten Schrotthaufen transportieren zu lassen.

Der Afrika-Cup ist nicht nur wirtschaftlich das wichtigste Sportereignis des Kontinents – er bestimmt auch in beträchtlichem Maße den Stolz und den Wert einer Nation in der afrikanischen Welt. „Für mich ist der Afrika-Cup bedeutsamer als eine Weltmeisterschaft“, sagt Didier Drogba, der Star der allgemein favorisierten Elfenbeinküste. „Hier geht es um die Ehre unseres Landes.“ Weil beinahe alle afrikanischen Fußballer so denken, wird das Turnier zu einem immer ärgerlicheren Ereignis für die großen europäischen Klubs, die sich afrikanische Spitzenfußballer in ihren Kadern leisten. Denn die müssen mitten in der Saison für bis zu sechs Wochen auf ihre Spieler verzichten. Auch aus der Bundesliga werden 15 Spieler zum Cup reisen – darunter Anthar Yahia, der zum Ärger seines Klubs VfL Bochum trotz einer Schambeinverletzung vom algerischen Verband nominiert wurde. Nicht dabei ist dagegen der Schalker Joel Matip. Der deutsche U-21-Trainer Rainer Adrion konnte ihn offensichtlich davon abhalten, der Einladung des Kameruner Verbands zu folgen.

Avram Grant hat nicht so viel Glück gehabt. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum der Cup nicht wie die Europameisterschaft in der Sommerpause ausgetragen wird“, findet der frühere Trainer des FC Chelsea. Grant betreut derzeit den englischen Erstligaletzten FC Portsmouth und wird in den nächsten Wochen auf fünf Stammspieler verzichten müssen.

Nicht wenige Experten erwarten im Januar sogar eine Vorentscheidung im Kampf um die englische Meisterschaft, weil der FC Chelsea mit Michael Essien, John Obi Mikel, Salomon Kalou und Didier Drogba gleich auf vier wichtige Stammkräfte verzichten muss. Konkurrent Manchester United hat derzeit keinen afrikanischen Nationalspieler im Kader. Der afrikanische Fußballverband will aus klimatischen Gründen aber nicht in die europäischen Sommermonate wechseln. „Im Juni und Juli ist in vielen afrikanischen Ländern Regenzeit. Da ist es zu heiß und zu nass, um Fußball zu spielen“, erklärt Verbandspräsident Issa Hayatou.

Neben der Elfenbeinküste gilt das algerische Team als einer der Titelfavoriten, nachdem es in der WM-Qualifikation den amtierenden Afrika-Cup-Titelträger Ägypten bezwungen hat. Ägypten wird ebenso als etwas überaltert angesehen wie Kamerun. Auch Nigeria und Deutschlands WM-Vorrundengruppengegner Ghana wird diesmal nichts Großes zugetraut. Nigeria fehlen derzeit nach einem personellen Umbruch die ganz großen Stars, Ghana muss mit den verletzten Stephen Appiah, Laryea Kingston, John Paintsil und John Mensah gleich auf vier Schlüsselspieler verzichten. Zudem wurde Inter Mailands Angreifer Sulley Muntari nach etlichen Disziplinlosigkeiten von Coach Milovan Rajevac nicht berücksichtigt, und Kapitän Michael Essien ist nach dreiwöchiger Verletzungspause gerade erst einigermaßen wiederhergestellt.

Nicht nur wiederhergestellt, sondern komplett neu errichtet werden derzeit ganze Stadtviertel in Luanda. In der vier Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Angolas wachsen in einem Meer von Blechhütten zahlreiche Hochhäuser aus dem Boden. Der scheinbare Widerspruch ist typisch für dieses Land. Auf der einen Seite ist die einfache Bevölkerung nach dem langen Bürgerkrieg total verarmt und strömt in Massen in die Hauptstadt, wo sich beinahe täglich neue Armensiedlungen bilden. Auf der anderen Seite entstehen mit Unterstützung chinesischer Bauherren in ebenso atemberaubendem Tempo Prunkbauten jeglicher Art, denn während zwei Drittel der Angolaner immer noch von weniger als zwei Dollar pro Tag leben, schwimmt die Elite des Landes im Geld. Angola ist in den vergangenen beiden Jahren zum größten Erdölproduzenten Afrikas aufgestiegen, zudem verfügt das Land über jede Menge Diamanten. Die Wirtschaftskraft wächst enorm.

Der bevorstehende Afrika-Cup hat vieles beschleunigt. Für rund 600 Millionen Dollar wurden von der öffentlichen Hand vier neue Stadien in Luanda, Benguela, Lubango und Cabinda gebaut und elf weitere modernisiert. Alle Flughäfen der vier Ausrichterstädte wurden ausgebaut, Fern- und Nahverkehrsstraßen saniert. Zudem wurden viele private Investoren zum raschen Bau von Hotels animiert. Die allerdings haben ihren Preis. Wer in der Hauptstadt ein Hotelzimmer mieten möchte, muss derzeit mindestens 320 US-Dollar hinblättern. Pro Nacht. Luanda gilt aktuell als teuerste Stadt der Welt.

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