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Sport: An die Spitze gehüpft

Drei unbekümmerte und eher unbekannte Skispringer greifen in diesem Jahr bei der Vierschanzentournee an

Von Janne Ahonen will niemand etwas wissen. Der Finne hat zwar bereits drei Mal die Vierschanzentournee gewonnen, trotzdem kann er nach der Eröffnungspressekonferenz aufstehen und unbehelligt den Saal im Kurhaus Oberstdorf verlassen. Ganz anders Gregor Schlierenzauer. Kaum ist er vom Podium gestiegen, stürmen drei Kamerateams und zahlreiche Journalisten auf den schmalen Österreicher zu. Sie notieren Sätze wie „Ich versuche immer locker zu bleiben“ so eifrig in ihre Blöcke, als hätte er schon zahlreiche WM- und Olympiatitel gewonnen. Und nicht erst zwei Weltcupspringen.

Der 16 Jahre alte Skispringer Gregor Schlierenzauer hat es innerhalb von zwei Monaten zu einer überraschenden Popularität gebracht. Das dürfte an seinem jungen Alter liege und daran, dass das Skispringen neue Helden gut gebrauchen kann. „Mein Ziel war es einfach, im Weltcup mitzuspringen“, sagt der Teenager schüchtern. Jetzt ist es ihm bereits gelungen bei der Eröffnungspressekonferenz der Vierschanzentournee, die am Samstag in Oberstdorf startet, neben seinem Vorbild Janne Ahonen zu sitzen.

Es gehört zu den Überraschungen der aktuellen Skisprung-Saison, dass neben Schlierenzauer auch der 21-jährige Norweger Anders Jacobsen und der 25-jährige Schweizer Simon Ammann den Gesamtweltcup anführen. Letzterer darf sich zwar Doppel-Olympiasieger nennen, doch er hat die vergangenen vier Jahre mit der vergeblichen Suche nach jenem Fluggefühl verbracht, das ihn 2002 zu zwei Goldmedaillen getragen hatte.

Schlierenzauer und Jacobsen haben sogar das Skispringen weiter entwickelt und verkörpern nun die Technik der Zukunft. „Sie sind im Absprung viel weiter als der Rest“, sagt der deutsche Springer Michael Uhrmann. Der junge Österreicher und der Norweger lehnen sich früher über ihre Sprungski als alle anderen und sind somit früher in der idealen Flugposition. „Wir versuchen alle, auch dahin zu kommen“, sagt Uhrmann. Auch Simon Ammann habe seine Technik optimiert. Womöglich aber besitzen alle drei einfach nur eine große Portion Unbekümmertheit, die diesem Sport so wichtig ist. Für einen Skispringer auf dem Bakken gilt die gleiche Regel wie für einen Fußballspieler vor dem Elfmeter: Wer nachdenkt, hat schon verloren.

Da hatten es die jungen Hüpfer in diesem Jahr einfach. Ohne Erwartungsdruck sind sie in die Saison gestartet. Schlierenzauer besucht das österreichische Skigymnasium Stams, erst in dieser Saison hat ihn Cheftrainer Alexander Pointner in den Weltcup-Kader berufen. Auch der Norweger Anders Jacobsen musste nichts beweisen. Der Klempner war im Sommer bei einer Sichtung vom norwegischen Cheftrainer Mika Kojonkoski entdeckt worden. Simon Ammann fand erst wieder zu alter Stärke, als die Olympischen Spiele von Turin vorbei waren. Nun geht er nicht mehr als amtierender Olympiasieger in die Spur. Auch die Aufnahme eines Elektro-Ingenieurstudiums half ihm dabei, nicht nur Skispringen im Kopf zu haben. „Locker sein ist der Schlüssel, um gut zu springen“, sagt Simon Ammann.

Bei der Vierschanzentournee geht es für alle darum, ihre Unbekümmertheit zu behalten. Dabei hilft es Schlierenzauer, einen erfahrenen Manager an seiner Seite zu wissen: seinen Onkel, den ehemaligen Weltklasserodler Markus Prock. Dieser versucht, seinen Neffen unbeschadet durch den Medienrummel zu lotsen. Ob der Tourneetrubel eine Gefahr für seine Leistung sei, wird Schlierenzauer gefragt. „Ja, nein, vielleicht“, stottert der Gymnasiast. Zuvor hatte er zum gleichen Thema gesagt: „Ich bin relativ relaxt, ich habe keinen Grund, warum ich mit Ernst hüpfen soll.“

Doch die Favoritenrolle hat schon anderen geschadet. In der vergangenen Saison galt der Deutsche Michael Uhrmann als Weltcupvierter als Geheimfavorit – und scheiterte deutlich. Die Vierschanzentournee ist anstrengend, die Qualifikationen eingerechnet müssen die Athleten acht Springen in zehn Tagen bestreiten. Hinzu kommen An- und Abreise, Medien- und Sponsorentermine. Eine Belastung, mit der Routiniers wie die Vorjahressieger Jakub Janda aus Tschechien und Janne Ahonen aus Finnland besser zurecht kommen dürften.

Für das deutsche Team kann Bundestrainer Peter Rohwein immerhin vorhersagen, dass keiner seiner Springer die Tournee gewinnen dürfte. Ihm fehlt ein deutscher Gregor Schlierenzauer, ein überraschendes Gesicht, das die Fans begeistern kann. Doch der Deutsche Skiverband hat in den Jahren des Aufschwungs mit Sven Hannawald und Martin Schmitt die Nachwuchsförderung versäumt. Nun hat er sich drei Trainer zur Nachhilfe in den Verband geholt – aus Österreich.

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