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Sport: Angefüttert für später

Manipulation beginnt mit harmlosen Offerten

Berlin – Hans-Peter Mildebrath hatte sofort diesen Gedanken: „Klar, da wurde einer angefüttert, das ist das gängige Muster.“ Thijs Waterink, der Abwehrspieler des Fußball-Regionalligisten SC Paderborn, hatte vor dem Pokalspiel gegen den Hamburger SV eine Plastiktüte entgegengenommen. Inhalt: 15 000 Euro. Ein unbekannter, südländisch aussehender Mann hatte ihm die Tüte übergeben. Eine Art Siegprämie. Wenn der Regionalligist gewinnt, dürfen die Spieler das Geld behalten, hatte der Mann gesagt. Waterink hatte das Geld angenommen, jetzt gehört die Szene zum Teil des Wettskandals. „In dem Moment, als er das Geld angenommen hat, war er eigentlich schon drin verwickelt, eventuell ohne es zu wissen“, sagt Mildebrath, ein renommierter Rechtsanwalt in Berlin. „Den Fremden interessierte es ja nicht, dass Paderborn gewinnt. Er wollte wissen, ob Waterink sich auf solche seltsame Angebote einlässt.“

Wenn einer sich von einem Fremden auf einer Wiese, drei Stunden vor dem Spiel, eine solche Prämie andrehen lässt, dann ist er später offenbar auch für ganz andere Deals zumindest aufgeschlossen. Diese Taktik steht hinter diesem Auftritt, sagt Mildebrath. „Anfüttern“, nennt man das im Kreis der Juristen. Mildebrath kennt solche Fälle zur Genüge. Nicht im Fußball, sondern auf anderen Gebieten, aber das Muster ist immer gleich. „Beim nächsten Mal gibt es dann eine erheblich höhere Prämie. Und dann, sehr bald, kommt der Hinweis: Hör mal, du hast schließlich das Geld genommen, damit ihr gewinnt. Jetzt will ich auch mal eine Gegenleistung dafür haben. Du weißt ja, wie das läuft. Jetzt will ich, dass ihr verliert.“ Und natürlich ist jetzt verlockend viel Geld in der Plastiktüte, jedenfalls für einen Regionalligaspieler.

Natürlich könnte der Fußballer jetzt auch noch zurücktreten. Aber wenn einer sich mal auf solche Spielchen eingelassen hat, ist die moralische Hemmschwelle doch sehr gesunken. Das weiß Mildebrath aus seiner Berufserfahrung. Oder es kommen schlicht noch subtile oder handfeste Drohungen dazu. Interessant ist ja, dass Stefan Holthoff-Pförtner, der Anwalt von Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer, sagt: „Diese Leute regeln ihre Interessen nicht über Zivilrechtsklagen.“ Und: „So mancher dieser Leute aus dem osteuropäischen Ausland gehörte früher zum Geheimdienst. Die machen das sehr professionell.“ Mildebrath kennt den Fall eines Jura-Studenten, dem diese Methoden zum Verhängnis wurden. Ein Opfer der Stasi. Der Mann hatte eine Freundin in Ost-Berlin. Irgendwann sprach ihn ein Stasi-Mitarbeiter an: „Entweder, du hilft uns mit ein paar Botengängen oder du darfst deine Freundin nicht mehr sehen.“

Um den Mann aber nicht sofort abzuschrecken, hatte die Stasi nur scheinbar unverfängliche Aufgaben. Einen Stadtplan von West-Berlin oder ein Telefonbuch, lauter Kleinkram. Bis er eine Verpflichtungserklärung unterschrieb. Die Beziehung zu der Frau zerbrach bald, der Student lieferte nichts Wesentliches, stattdessen stieg er in West-Berlins Verwaltung auf. Und er wäre wohl nie mehr mit seiner Unterschrift konfrontiert worden, wenn nicht die Mauer gefallen wäre. Dann aber stießen Ermittler in Stasi-Akten auf den Namen des Juristen, und damit war eine Laufbahn jäh beendet. Der Mann verlor seinen Job, aber immerhin: Er kam ohne Gerichtsverfahren davon.

„Der Zuwendungsempfänger soll durch die allmähliche Steigerung von Vorteilen in eine stetig wachsende Abhängigkeit bis hin zur Erpressung gebracht werden“, schreibt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner in einem Buch über „Korruption in Deutschland“. Der Betroffene „hängt erpressbar geworden am Haken“, führt er darin weiter aus.

Und wenn nicht Erpressung greift, dann wirkt oft genug die Gier. Wenn sich eine Fußballmannschaft oder wenigstens ein Teil davon an die ungewöhnlichen Prämien gewöhnt hat und wirklich absichtlich verliert, wird gegen sie wegen „bandenmäßigen und erwerbsmäßigen Betrugs ermittelt“. Allerdings müssen dann schon mehrere Spieler korrumpiert worden sein. „Eine Bande im juristischen Sinne“, sagt Mildebrath, „beginnt mit drei Personen.“

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