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Annmarie Mütsch (mit den weißen Steinen) an Brett 1 vor der 11. Runde

© Bernd Vökler

Annmarie Mütsch: Deutsche wird U-16-Schachweltmeisterin

Es ist eine Sensation: Nach einer fulminanten Aufholjagd wird die 16-jährige Annmarie Mütsch in Griechenland Weltmeisterin im Mädchenschach.

Es kann sehr langweilig sein, auf den Zug des Gegners zu warten. Die Partie scheint übersichtlich zu sein, aber der Gegner zieht einfach nicht. Was also tut ein 14-jähriges Mädchen dann? Es malt. Oder besser: Es kritzelt. Ein Herz, einen Dinosaurier, eine Tomate. So geschah es Anfang 2017 bei den Deutschen Jugendmannschafts-Meisterschaften. Das kritzelnde Mädchen, Annmarie Mütsch, gehörte da schon zu den hundert besten Mädchen in der Weltrangliste, und die Anekdote stammt vom legendären Schachkommentator Helmut Pfleger.

Weil Mütsch nun aber die Figuren auf das Partieformular gezeichnet hatte, auf dem die Züge notiert werden, erfasste sie wohl ein schlechtes Gewissen, also schrieb sie dazu: „Lieber Schiri, es tut mir leid, dass ich das Formular vollkritzle, aber mein Gegner hat immer noch nicht gezogen, ich habe mir gefühlt jede Partie angeguckt, war 2-mal auf Klo & 3-mal Wasser holen. Bitte lassen Sie mich kritzeln! Vielen Dank! PS: Ich habe echt versucht, es zu lassen!“

Seit Dienstag ist Annmarie Mütsch Weltmeisterin, die erste aus Deutschland in der Altersklasse U 16. Der Verband ist ebenso aus dem Häuschen wie sie selbst. Gespielt worden war im Ferienressort Porto Carras auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki, und zunächst hatte es gar nicht nach einer Sensation ausgesehen. Mütsch verlor gleich in der zweiten Runde, anschließend aber punktete sie Runde für Runde.

Es begann in der Schach-AG der Grundschule Heilbronn-Biberach

Die frühe Niederlage habe sich „als Glücksfall und Weckruf“ zugleich erwiesen, sagt sie. „Der Titel war gefühlt unerreichbar, ab jetzt hieß es einfach, Schach zu spielen und zu schauen, was passiert.“ Als sie dann auch in der vorletzten Runde gegen die nominell stärkste Konkurrentin aus Russland gewann, ahnte sie bereits: „Ich kann das schaffen.“ Und sie schaffte es. Neben der Goldmedaille erhielt sie nun auch den Titel „Internationale Meisterin“.

Ihre Karriere begann, da war sie neun Jahre alt, in der Schach-AG der Grundschule Heilbronn-Biberach. Schnell spielte Mütsch jeden an die Wand. Sie wurde entdeckt und gefördert. „Annmarie brennt vor Ehrgeiz, hat Taktikaufgaben geradezu verschlungen. Sie konnte nicht genug bekommen“, erzählt Philipp Müller, einer ihrer ersten Trainer in Heilbronn. Andere Hobbys wie lesen, zeichnen oder Tischtennis wurden nebensächlich.

Ausleben kann Annmarie Mütsch ihre Schach-Leidenschaft aber wohl nur durch die Unterstützung ihrer Eltern. Mutter Heike fährt sie quer durch die Republik zu Wettkämpfen oder zum Kadertraining im Bundesstützpunkt Baden-Baden. „Sie spielt alles, was wir terminlich überhaupt stemmen können“, sagt sie.

Vor vier Jahren bereits streifte sich Annmarie Mütsch ein T-Shirt der Schachjugend über mit der Aufschrift „Großmeister 2024“. Damals wirkte das verwegen. Heute indes, nach ihrem sensationellen Erfolg, ist das Ziel in greifbare Nähe gerückt.

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