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Sport: Anschluss gesucht

Deutschlands Handballspielern fehlt drei Monate vor der WM noch einiges zur Weltspitze

Schelmisch grinsend verließen die beiden deutschen Torhüter das Spielfeld der Baltiska Hallen in Malmö. Es war ein versöhnlicher Abschluss für Henning Fritz (THW Kiel) und Johannes Bitter (SC Magdeburg). Beide hatten sie das Tor förmlich verdichtet beim 27:22 (14:15)-Sieg gegen Serbien. Am Ende hielten sie gemeinsam 27 von 49 Würfen, ein Weltklassewert. „Ich hatte wieder ein gutes Gefühl und habe auch ein paar schwere Bälle gehalten“, sagte Fritz zufrieden. Nach dem dritten Sieg im fünften Spiel des World-Cups belegte die deutsche Handball-Nationalmannschaft, die am Samstag den WM-Sechsten Griechenland in Helsingborg mit 24:21 besiegt hatte, Platz fünf in dem Acht-Nationenturnier in Schweden. Das Finale gewann gestern Kroatien gegen Tunesien 33:31 nach Siebenmeterschießen.

Beim Fazit, das der deutsche Bundestrainer knapp drei Monate vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land zog, klang dennoch Ernüchterung durch. „Wir müssen einsehen, dass die Spitzennationen ein bisschen weg sind“, sagte Heiner Brand, „aber das ist keine Überraschung.“ Damit meinte Brand vor allem Nationen wie Olympiasieger Kroatien, Europameister Frankreich und den spielstarken EM-Dritten aus Dänemark – doch selbst der WM-Vierte Tunesien scheint der deutschen Mannschaft in Athletik und Spielfluss um einiges voraus zu sein.

In seiner abschließenden Analyse präzisierte Brand die derzeitigen Baustellen. „Im taktischen Repertoire sind andere Mannschaften nicht besser als wir“, urteilte der Bundestrainer zwar. „Aber wir haben großen Nachholbedarf beim Tempogegenstoß, hier fehlt einfach noch das richtige Timing.“ Auf diese „leichten Tore“, wie sie im Handballjargon genannt werden, ist die Mannschaft freilich angewiesen, da das Positionsspiel zuletzt krankte: „Im Angriff fehlt uns in vielen Situationen noch die Geduld, da schließen wir oft zu schnell ab. Wir spielen manchmal auch einfach zu kompliziert.“

Die Gründe für die Ratlosigkeit, die der Angriff in den Spielen gegen große Gegner wie Kroatien (27:30) und Dänemark (25:29) bei Experten erzeugte, sind leicht zu erklären. Der starke Christian Zeitz etwa stieß erst am Wochenende zur Mannschaft. Noch schwerer fiel der Verlust von Oleg Velyky ins Gewicht. Der Kronauer, einer der wenigen deutschen Aufbauspieler mit höchstem Niveau, fehlte aus gesundheitlichen Gründen. „Oleg ist immerhin einer der weltbesten Handballer“, sagt Rechtsaußen Florian Kehrmann. Der eingebürgerte Velyky soll schon beim nächsten Lehrgang wieder dabei sein.

Die Abwehr, das einstige Prunkstück des deutschen Spiels, hat ebenfalls noch viel Feinabstimmung nötig. Da mit Frank von Behren (Flensburg) der Abwehrchef mit einem Kreuzbandriss ausfällt, muss Brand mit Sebastian Preiß (Lemgo) und Andrei Klimovets (Kronau) den Mittelblock neu einspielen. „Schon von der Optik her“ (Brand) ist Oliver Roggisch (SC Magdeburg) deshalb der wichtigste Mann in der defensiven Zentrale, weil er seine eher ruhigen Mitspieler ständig nach vorne peitscht. Grundsätzlich fordert Brand, dass die Defizite in der Verteidigung „durch mehr Beweglichkeit“ ausgeglichen werden müssen. Einsatz und Kampfkraft sollen die unterlegene Athletik wettmachen. Auch Mannschaftskapitän Markus Baur wollte die derzeitigen Defizite nicht schön reden. „Wenn das Dänemark-Spiel die Generalprobe für die Weltmeisterschaft gewesen wäre, dann hätten wir ein Problem“, sagte der 35-Jährige vom TBV Lemgo. Aber er betonte auch das Positive: „Diese Mannschaft kämpft und hat Spielgeist.“

Genau diese Eigenschaften sind es, die auch denjenigen Gegnern, die derzeit überlegen sind, großen Respekt einflößen. „Ein solches Turnier wie der WorldCup hat gar nichts zu bedeuten“, sagt der kroatische Olympiasieger Davor Dominikovic, „am Ende wird es sein wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft: Wenn das Turnier beginnt, sind die Deutschen da und spielen um den Titel mit.“ Der dänische Aufbauspieler Joachim Boldsen traut dem Gastgeber trotz der gegenwärtigen Probleme ebenfalls viel zu: „Die werden mit voller Kraft in die Weltmeisterschaft starten, und dann sieht alles ganz anders aus.“ Boldsen weiß, wovon er spricht. Der Flensburger Profi sieht die Deutschen Woche für Woche in der Bundesliga.

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