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Sport: Auf großer Abenteuerfahrt

Ajax Amsterdam ist nach mehrjähriger Abwesenheit auf dem Weg zurück in die europäische Spitze

Amsterdam. Thierry Henry, der Welt- und Europameister aus Frankreich, verließ den Platz in inniger Begleitung. Bei Fußballern seines Bekanntheitsgrades kommt so etwas häufiger vor: Kaum ist das Spiel abgepfiffen, stürzen sich jugendliche Bewunderer auf die Stars, und wenn sie sehr, sehr großes Glück haben, gehen sie mit einem verschwitzten Trikot nach Hause. Henry, der Angreifer von Arsenal London, lächelte, und dann strich er dem Jungen fast zärtlich über den Kopf. Nigel de Jong lächelte ebenfalls. Schon eine Woche zuvor hatte er ein ähnlich außergewöhnliches Erlebnis gehabt: Als de Jong im Londoner Highbury-Stadion aus der Ajax-Kabine kam, stand Robert Pires vor einer ganzen Batterie von Fernsehkameras: der große Franzose Pires, der Mittelfeldspieler, der seinen Gegenspielern an guten Tagen Knoten in die Beine dribbelt. „Und du glaubst es nicht”, hat de Jong in diesem Moment gedacht. „Er hat mein Trikot an. Ein schönes Gefühl.”

Schwer zu sagen, was de Jong mehr beeindruckt hat: dass Pires sein Hemd trug oder dass er Ajax vorher mit seinem ersten Pflichtspieltor zum 1:1-Endstand einen wichtigen Punkt in der Zwischenrunde der Champions League beschert hatte. De Jong ist gerade 18 Jahre alt, und noch vor ein paar Monaten ist er mit der Metro aus dem Amsterdamer Stadtteil Osdorp zum Training gefahren. Inzwischen macht der Mittelfeldspieler Leuten wie Pires das Leben schwer. „Es ist gut, dass Ajax diese jungen Spieler wieder hat“, sagt Arsenals holländischer Stürmer Dennis Bergkamp, „zu meiner Zeit gab es die auch“.

Ajax Amsterdam besitzt seit langem den Ruf, die beste Nachwuchsausbildung der Welt zu betreiben. Doch obwohl der Klub das System nahezu perfektioniert hat, garantiert es keine gleichbleibend hohe Qualität. Selbst bei Ajax gibt es gute Jahrgänge – und nicht ganz so gute. Der aktuelle ist nach einigen nicht ganz so guten ohne Zweifel ein sehr guter. Schon heute, im vorletzten Zwischenrundenspiel gegen den FC Valencia, kann sich Ajax für das Viertelfinale der Champions League qualifizieren. „Wir können noch immer rechnen“, sagt Trainer Ronald Koeman, „das ist mehr als wir erwartet hatten.“ Es wäre das erste Mal seit 1997, dass Ajax unter die besten Acht Europas käme.

Von den 16 Zwischenrunden-Teilnehmern ist Ajax der bei weitem jüngste. Das Durchschnittsalter der Mannschaft, die Arsenal vor drei Wochen in London ein 1:1 abgetrotzt hat, lag bei gerade mal 22 Jahren. „Die Jungs scheinen alle sehr klein und fast fragil zu sein”, sagt Dennis Bergkamp, „aber jeder Einzelne von ihnen ist ein guter Spieler”. Cristian Chivu zum Beispiel, der Kapitän aus Rumänien, der Interviews nur auf Englisch gibt und sich seiner Position gemäß sehr staatsmännisch verhält. Chivu ist 22. Oder Rafael van der Vaart, 20, Nationalspieler und schon in der vorigen Saison Ajax’ bester Torschütze. Oder Wesley Schneijder, auch erst 18 und eine außergewöhnliche Begabung mit besten Aussichten, der nächste holländische Superstar zu werden. Oder, oder, oder.

Wegen seiner Erfolge wird das Team bereits mit der legendären Ajax-Elf verglichen, die 1995 die Champions League gewann. Im Moment fällt das Ergebnis solcher Vergleiche noch eindeutig zu Gunsten des 95er-Teams um die jungen Davids, Seedorf und Kluivert aus. „Die Champions League können wir wohl nicht gewinnen”, sagt Koeman. „Die Ehrendivision schon.“ Doch selbst das wird schwer. Ajax liegt sieben Punkte hinter Tabellenführer Eindhoven. Vielleicht illustriert das am besten den Unterschied. 1995 gewann Ajax die Liga quasi nebenbei.

„Was den jungen Spielern noch fehlt, ist Erfahrung”, sagt Johan Crujff, Hollands Fußballlegende. „Aber die Mannschaft ist auf einem guten Weg.” Mit jedem Champions-League-Auftritt gegen überlegene Gegner lernt sie hinzu. Und sie lernt schnell. Koeman hat festgestellt, „dass wir uns sehr schnell an das Niveau angepasst haben, das in der Champions League gefordert ist.“ Die „Volkskrant“ schrieb nach dem 0:0 gegen Arsenal: „Das Typische an Ajax ist immer gewesen, dass gute Resultate einhergingen mit schönem, wagemutigen, abenteuerlichen Fußball – Fußball, der die Fantasie angeregt hat.” Wie man gegen Arsenal wagemutig und abenteuerlich spielt, hat in der Vorrunde der Champions League der PSV Eindhoven gezeigt. PSV verlor im eigenen Stadion 0:4.

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