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Sport: Auf verrückter Position

Florian Kehrmann verhilft der Handball-Nationalmannschaft zum 36:22 gegen Russland

Leipzig. Komplimente verteilt Heiner Brand nur selten. Bei Florian Kehrmann aber macht der brummige Handball-Bundestrainer eine Ausnahme: „Ihn würde ich gegen keinen anderen Rechtsaußen der Welt tauschen“, sagt er, und er schwärmt von dem „riesigen Wurfpotenzial“ und der „ungeheuren Athletik“ des 26-Jährigen. Kehrmann wurde auch gerade in die Weltauswahl berufen, und am Freitag hat er beim klaren 36:22 (17:10)-Erfolg beim Supercup gegen Olympiasieger Russland sein 100. Länderspiel absolviert.

Welche Ausnahmestellung Kehrmann im deutschen Handball besitzt, hat er gestern wieder bestätigt. Vor 6000 Zuschauern in der LeipzigArena warf er drei Tore in den ersten 30 Minuten. Als die Spannung in der zweiten Halbzeit etwas nachließ, würdigte Brand das Jubiläum mit einer besonderen Aufgabe. „Der Trainer sagte zu mir: Geh rein und mach mal ein Tor aus dem Rückraum“, erzählte Kehrmann grinsend, weil genau dieses Tor gelang: „Dazu habe ich 100 Länderspiele gebraucht.“ Nun steht in Riesa die Revanche für das im Januar verlorene WM-Finale gegen Kroatien an (heute um 14.30 Uhr, live in der ARD).

Auch dort wird Kehrmann wieder mit seinen kraftvollen und zugleich geschmeidigen Bewegungen spielen. Hat er sich einmal außen durchgesetzt, steht er in der Luft, als wäre sein Körper für einen Moment eingefroren. Bei seinen Würfen aus spitzem Winkel guckt er den Torwart aus und schleudert den Ball in die Lücke. Dem gebürtigen Neusser, der seit 1997 beim TBV Lemgo unter Vertrag steht, kommt dabei freilich nicht nur eine herausragende Physis zu Gute. Kehrmann beherrscht auch alle technischen Tricks. Der spektakuläre Drall, den er seinen Würfen manchmal mitgibt, erscheint wie von einem anderen Stern. „Zusammen mit dem Kroaten Mirza Dzomba ist Flo der beste Rechtsaußen der Welt. Er hat noch fantastische Jahre vor sich“, sagt deshalb Fynn Holpert, Manager beim TBV Lemgo. Dazu ist Kehrmann einer, der manche Marotte pflegt und so den nötigen Stoff für Geschichten liefert. Im letzten Jahr verkündete er einen Friseurboykott, solange Lemgo nicht verliere. Das war recht leichtsinnig, weil die Mannschaft 17 Spiele in Serie gewann. Vor der ersten Niederlage sah Kehrmann so aus, als hätte sich ein Murmeltier auf seinem Kopf schlafen gelegt.

Verrücktheiten dieser Art schreibt man im Mannschaftssport gern Torleuten und den Außenspielern zu, insofern ist Kehrmanns Position kein Zufall. „Das ist besser als Kreisläufer“, erklärt er „da kriegt man ja immer eins drauf.“ Es verwundert eigentlich nur, dass Kehrmann immer noch ein wenig im Schatten Stefan Kretzschmars steht, dem Star der Mannschaft auf Linksaußen. Kretzschmar selbst kann das kaum nachvollziehen, weil „auf der anderen Angriffsseite doch einer steht, der mindestens so gut spielt wie ich“. Aber Kretzschmar hat für 2004 seinen Rücktritt angekündigt. Dann bliebe die Rolle des Mode- und Frisurbeauftragten für Kehrmann alleine.

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