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Nachdenklicher Spitzenreiter. Der Tour-Führende Christopher Froome ist am Ruhetag entnervt von den vielen Dopingfragen. Foto: dpa

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Sport: Auf Vulkanen geschlafen

Tour-Spitzenreiter Froome will nicht mehr über Doping reden – und liefert stattdessen eigene Erklärungen für seine Topleistungen.

Orange - Christopher Froome war verärgert. Am Sonntag war ihm ein historischer Sieg auf dem Mont Ventoux gelungen, im Gelben Trikot des Führenden der Tour de France war der Brite zum Etappensieg auf diesen mythenumrankten Berg gestürmt. Und wie einst Eddy Merckx 1970 musste sich auch Froome nach der Anstrengung künstlich Sauerstoff zuführen. Doch am Tag danach war der Spitzenreiter frustriert darüber, dass nicht seine Heldentat im Mittelpunkt der Pressekonferenz im Teamhotel in Orange stand. Sondern Dopingfragen.

„Was soll ich tun? Ich weiß, dass ich meine Leistung ehrlich erbracht habe. Ich habe viel trainiert. Wir waren viel von zu Hause weg. Wir haben sogar auf Vulkanen geschlafen“, sagte er, bevor er genervt aus der Pressekonferenz stürmte. Seine Leistungsdaten, die detaillierteren Aufschluss über seine Vorstellung geben könnten, will er aber nicht herausgeben. „Diese Analyse ist nicht einfach“, begründete Skys Teamchef David Brailsford diese Absage. Er schlug auf der Pressekonferenz in Orange vor: „Die Wada könnte ein Expertenpanel einberufen, dem wir alle unsere Daten geben. Auch die Daten des individuellen Athletenpasses, der ja nicht nur Blutwerte enthält, sollten in diese Analyse einfließen. Wir hätten Vertrauen zu solch einem Gremium. Ich hoffe, die Medien auch“, sagte er.

Dies könnte tatsächlich ein Weg sein. Merkwürdig stimmt allerdings, dass Brailsford erst unter medialem Druck zu diesem Vorschlag kam und sichtlich genervt den versammelten Journalisten vorhielt, „immer ein und dieselbe Frage“ zu stellen. „Warum setzt ihr euch nicht mal einen Nachmittag zusammen, und überlegt, was wir alles tun können, um euch zu überzeugen?“, fragte er – und verwischte dabei den Unterschied zwischen Journalisten, die berichten und Medien, die selbst Akteure in der Sport- und Entertainment-Industrie sein wollen.

Sonderbar ist zudem, dass Team Sky mittlerweile Interviewanfragen für Tim Kerrison zurückweist. Der Trainer hat das Athletikprogramm für alle Teammitglieder aufgelegt und somit sicherlich seinen Anteil an den so beeindruckenden und manchmal auch erschreckenden Leistungen. Kerrison stellte „weitere Leistungssteigerungen in naher Zukunft“ in Aussicht, die sogar die von gedopten Sportlern übersteigen könnten.

Kerrison bezog sich in einem Artikel der Londoner Zeitung „Daily Mail“ auf den Trainingsberg bei Nizza, auf dem einst Armstrong seine Muskulatur aufbaute und der jetzt auch Froomes Trainingsgelände ist. „Wir glauben, dass wir wissen, in welcher Zeit Armstrong und seine Kollegen den Berg raufgefahren sind und wir haben schon lange daran gedacht, dass wir diese Zeiten unterbieten könnten“, sagte Kerrison. Das klingt auf der einen Seite alarmierend. Doch stellt sich die Frage, ob Leistungssteigerungen monokausal allein durch Doping erklärbar sind.

Der Frankfurter Sportwissenschaftler Dennis Sandig warnte vor dem Ansatz, von Leistungsdaten auf Vorgänge im Körper zu schließen – und damit Doping begründen zu wollen. „Man muss die Physik von der Physiologie trennen. Mich interessiert vor allem, was im Körper selbst passiert und nicht, was ich dann an Leistungsdaten messen kann“, sagte Sandig dem Tagesspiegel im Zusammenhang mit einer Bewertung der Wattberechnungen des französischen Leistungsdiagnostikers Antoine Vayer. Vayer hatte Schwellen wie „mutiert“, „wundersam“ und „verdächtig“ eingeführt und Froome nahe an der „Mutanten“-Grenze verortet. Relevanter sind für Sandig Werte wie die Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes. Der Sportwissenschaftler bestätigt allerdings Ergebnisse Vayers aus der Vergangenheit. „Wir hatten in den späten Neunzigern Wunderwerte bei der Sauerstoffaufnahmefähigkeit von Spitzensportlern. Diese Werte werden jetzt nicht mehr erreicht. Es ist spannend, warum das so ist. Genetisch hat sich der Mensch in den letzten zehn Jahren ja nicht zurückentwickelt“, konstatierte Sandig.

Eine Messung der Sauerstoffaufnahmefähigkeit von Christopher Froomes Blut wäre demnach ein Weg zur Klärung der jetzigen Leistungen. Verärgerte Bemerkungen bei der Pressekonferenz jedoch nicht. Spannend bleibt in jedem Falle, wann das datengetriebene Management von Team Sky den eigenen Vorschlag mit der Wada realisiert. Tom Mustroph

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