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Bradley Wiggins trägt das gelbe Trikot.

© AFP

Aus Gelb mach’ Gold: Keine Dopingdebatte in Großbritannien

Nach dem Sieg in Paris von Bradley Wiggins feiert der britische Radsport euphorisch - und will nichts vom Doping hören.

Keine Zeit zum Feiern: Siegerehrung auf den Champs Élysées, ein schnelles Glas Champagner, dann heim nach London. Bradley Wiggins, Christopher Froome und Mark Cavendish haben nämlich noch nicht genug. Nach Platz eins (Wiggins) und zwei (Froome) und drei Etappensiegen (Cavendish) bei der Tour de France will das Trio nun bei den olympischen Straßenrennen die Medaillen einsammeln.

Dass das alles andere als unrealistisch ist, verdankt der britische Radsport vor allem einem Mann: Dave Brailsford, 48, ein kantiger Waliser. Der Chefmanager des Radsportverbandes und des Profiteams Sky hat den Radsport in England schick und die Kassen voll gemacht hat. „Das Rennrad ist bei uns mittlerweile Livestyle“, sagt er, „die Leute spielen kein Golf mehr, sie sitzen im Sattel.“

Begonnen hat der Aufstieg 1998. Brailsford, ein ehemaliger mäßig talentierter Profi, heuerte nach einem Studium der Sportwissenschaften beim britischen Radsportverband (BC) als technischer Direktor an. Die Disziplin war auf der Insel eine absolute Randsportart, wer Profi werden wollte, musste aufs europäische Festland, für Bahnradler gab es nur ein taugliches Hallenoval in Manchester. Brailsford, der kahlköpfige Workaholic, aber konnte den britischen Sport-Dachverband UK Sport davon überzeugen, dass man vor allem auf der Bahn viele Medaillen gewinnen kann – und UK Sport drehte den Geldhahn auf. Zehn Jahre später zeigte sich der Erfolg in der Pekinger Bilanz: 14 Medaillen, davon achtmal Gold. Bradley Wiggins wurde Olympiasieger in Einzel- und Mannschaftsverfolgung. Für die Vorbereitung auf London soll UK Sport etwa 32 Millionen Euro locker gemacht haben. Der Bund Deutscher Radfahrer hat für sein Team etwa zehn Prozent der Summe zur Verfügung.

Hier wird gespielt: die Sportstätte der olympischen Spiele

Entsprechend hoch sind auf der Insel die Erwartungen. Die Leistungsdichte in der Mannschaft ist so groß, dass der dreimalige Olympiasieger von 2008, Chris Hoy, seine Titel im Sprint nicht verteidigen darf. Für Hoy wird Jason Kenny an den Start gehen, Hoy darf dafür immerhin die britische Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen. Der britische Bahnvierer gilt als nahezu unschlagbar und das in einer Disziplin, in der Deutschland 2000 in Sydney noch souverän Gold holte und heute nicht mal mehr dabei ist. Bei den Frauen liegen die Hoffnungen vor allem auf Sprint- Olympiasiegerin und Weltmeisterin Victoria Pendleton.

Beim Straßenrennen, dem ersten Höhepunkt der Spiele aus britischer Sicht am Samstag, müssen die Männer auf einem Rundkurs um den Box Hill neunmal eine giftige Steigung meistern – nach dem Start auf „The Mall“ vor dem Königspalast. Sollte das 250 Kilometer lange Rennen schnell und hart gefahren werden, haben die Briten Wiggins und Froome. Kommt es zu einem Massensprint haben sie Mark Cavendish, den amtierenden Weltmeister. Sanfte Anspielungen, wie denn diese unglaubliche Stärke zu erklären sei, bügeln die Briten rüde ab. Brailsford hat die „Null-Toleranz-Regel“ in Sachen Doping ausgerufen und seinen Freund David Millar nach dessen umfassender Dopingbeichte 2004 aus dem Kader entfernt. Brailsford erklärt den Erfolg mit harter, konsequenter Arbeit, mit technischer Finesse und mit der Doktrin, dass schnelle Radfahrer vor allem leicht sein sollten. Wiggins hat im Vergleich zu seinen Bahnfahrerzeiten acht Kilo abgenommen, Chris Froome möchte man immer was zum Essen anbieten. Diese Light-Theorie gibt es im Übrigen schon seit mehr als zehn Jahren. Erster Verfechter war der italienische Sportmediziner Michele Ferrari. Branchenname: Dottore Epo.

Jürgen Löhle

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