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Sport: Ausdruck der Krise

Hertha spielt in der Nationalelf keine wichtige Rolle mehr

Berlin. Hans Meyer, der Trainer von Hertha BSC, spielte seine Überraschung nicht gerade überzeugend. „Oh, so viele Auswahlspieler haben wir!“, sagte er, nachdem er alle aufgezählt hatte, die ihm Anfang der Woche im Training fehlten. Es klang ein bisschen zynisch. Dabei ist es für einen Abstiegskandidaten ja kein schlechter Wert, wenn gleich sechs seiner Angestellten gewissermaßen in höherem Auftrag im Einsatz sind: Fredi Bobic und Arne Friedrich für die deutsche A-Nationalmannschaft, Josip Simunic für Kroatien (gegen die Türkei), Alexander Madlung und Malik Fathi für die deutsche U 21 und Alexander Ludwig für die U 20.

Man mag das als Ausdruck für die Qualität in Herthas Kader werten, doch wenn man genauer hinschaut, ist auch hinter dieser Erfolgsmeldung die Krise erkennbar. Von den sechs Nominierten haben am Wochenende nur zwei – Simunic und Fathi – von Anfang an gespielt, Bobic wurde für die letzten 20 Minuten eingewechselt, Friedrich war gesperrt, und die anderen beiden saßen 90 Minuten lang auf der Ersatzbank. Es hat in der jüngeren Vergangenheit Länderspielwochen gegeben, da hatte Herthas Trainer Schwierigkeiten, im Training fünf gegen zwei spielen zu lassen. Allein vier Berliner gehörten dem Kader der deutschen Nationalmannschaft an, neben Bobic und Friedrich auch Marko Rehmer und Michael Hartmann. Hartmann ist zurzeit verletzt, aber selbst wenn er gesund wäre, hätte er bei Rudi Völler wohl keine Chance mehr. Seitdem Hans Meyer Hertha trainiert, ist der Linksverteidiger seinen Stammplatz los. Auf seiner Position spielt jetzt der gerade 20 Jahre alte Malik Fathi.

Rehmer spielt zwar noch bei Hertha, in den Planungen von Völler jedoch nur noch eine Nebenrolle. Dass der Verteidiger bei einem Länderspiel fehlt, ist nichts Neues; neu ist, dass er nicht nominiert wurde, obwohl er nicht verletzt ist. Teamchef Völler hat immer viel von Herthas schnellem Verteidiger gehalten, der einst im heiligen Ausscheidungsspiel der Nationalmannschaft für die WM 2002 ein Tor gegen die Ukraine erzielte. Sogar zur Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea wurde Rehmer in den Kader berufen, obwohl er nach seiner schweren Verletzung drei Monate lang kein einziges Bundesligaspiel mehr bestritten hatte. In Asien durfte er dann ganze 45 Minuten auf dem Platz stehen. „Er ist nicht abgeschrieben“, sagte Völler nach der Bekanntgabe des Aufgebots für das Länderspiel gegen Belgien (Mittwoch, 20.30 Uhr, live in der ARD). Wenn Rehmer allerdings so spielt wie am Samstag, bei Herthas 1:4 in Leverkusen, als er an drei Gegentoren beteiligt war, wird er sich nicht mehr lange als Nationalspieler fühlen dürfen.

Fredi Bobic besitzt für die Europameisterschaft bessere Aussichten als sein Kollege Rehmer – auch wenn seine aktuelle Bilanz nicht gerade nationalmannschaftswürdig ist. In dieser Saison hat er erst vier Tore für Hertha erzielt, das letzte Anfang Februar. In den vergangenen beiden Bundesligaspielen saß Bobic sogar nur auf der Ersatzbank. Bei der Nationalmannschaft besitzt der Stürmer jedoch noch einen gewissen Bonus, weil er in der Qualifikation wichtige Tore erzielt hat. Andersherum ist es ähnlich. Für Bobic ist die Reise zur Nationalmannschaft „ein Break, da kann man mal drei, vier Tage was anderes sehen“. Und auch sonst erwartet er sich einen gewissen Nutzen von der Nationalelf: „Ich hoffe, dass ich Spielpraxis kriege.“

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