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Australian Open: Zu Tränen gespielt

Rafael Nadal gewinnt die Australian Open in einem tollen Finale und bringt Roger Federer zum Weinen.

Roger Federer konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Eine Rede hatte er vorbereitet, er hielt den Zettel mit Stichworten in seinen Händen. Doch die Worte wollten nicht aus seinem Mund. Der Schweizer weinte, und alle in der Rod-Laver-Arena jubelten ihm stehend zu. Hinter ihm wartete bereits Rafael Nadal, der neue Australian-Open-Champion, der erste Spanier, der es geschafft hat, dieses Turnier zu gewinnen. In einem erneuten Fünfsatzfinale hatte Nadal seinen Dauerrivalen Roger Federer 7:5, 3:6, 7:6 (7:3), 3:6, 6:2 besiegt und damit jeden Zweifel daran zerstreut, dass er den Platz an der Spitze der Weltrangliste verdient.

Das Finale hielt alles, was die Ansetzung versprochen hatte. Vier Stunden und 23 Minuten boten die beiden besten Tennisspieler der Welt den 15 000 Zuschauern bestes Tennis. Wie im Wimbledon-Finale im vergangenen Jahr benötigte Nadal fünf Sätze, um Federer zu besiegen – auch wenn die Schluss-Dramatik dieses Mal ausblieb. Der fünfte Satz war relativ schnell entschieden, nachdem sich Federer in seinem Aufschlagspiel beim Stand von 1:2 Momente der Unaufmerksamkeit geleistet hatte. Souverän ging der Schweizer 30:0 in Führung, machte dann einen Doppelfehler und drei weitere leichte Fehler. „Er hat im fünften Satz mehr Fehler gemacht als sonst“, sagte Nadal, der gestern etwas weniger seiner spektakulären Bälle spielen musste. In den entscheidenden Situationen aber erlief der 22-Jährige scheinbar unmögliche Bälle. Und er wusste im siebten Grand-Slam-Finale, das die beiden gegeneinander spielten, genau, was er zu tun hatte: Nadal servierte Federer regelmäßig auf die Rückhandseite, wo der Schweizer durch seine einhändige Technik Probleme hat, den hoch abspringenden Ball anzunehmen.

Der Schlüssel war aber, dass Federer es nicht schaffte, Nadal mit seinem Aufschlag unter Druck zu setzen. „Ich habe gut gespielt von der Grundlinie“, sagte er. „Aber mein Service war zu schlecht.“ 52 Prozent erste Aufschläge nur brachte Federer ins Feld, im zweiten Satz waren es zeitweise 37 Prozent. Hinzu kamen sechs Doppelfehler. „Mir fehlte dadurch vielleicht das Selbstvertrauen für den fünften Satz“, sagte Federer.

Das fehlende Selbstvertrauen betraf aber nicht nur den Aufschlag. „Ich habe schlecht gespielt im fünften Satz“, gestand Federer. „Aber das größere Problem war, dass ich da gar nicht erst hätte hinkommen dürfen.“ Im ersten Satz war der Schweizer 4:2 in Führung gegangen, hatte dann aber Nadal wieder herankommen lassen. Im dritten Durchgang nutzte Federer sechs Breakmöglichkeiten nicht und verlor den Durchgang schließlich im Tiebreak. Besonders zu Beginn des Matches und dann wieder gegen Ende wirkte der Schweizer ungewohnt gehemmt. Die Aussicht, seinen vierzehnten Grand- Slam-Titel zu gewinnen und damit den Rekord von Pete Sampras zu egalisieren, schien dem 27-Jährigen im Kopf herumzugeistern. Und da war noch etwas: Roger Federer wollte dieses Finale unbedingt gegen Rafael Nadal spielen. Nur gegen ihn wollte er diesen 14. Titel gewinnen. Denn erst damit hätte der Schweizer, der zum ersten Mal das Jahr als Nummer zwei der Weltrangliste begonnen hat, einen Schritt zurück an die Spitze machen können und die alte Rangordnung wieder herstellen können. Das erklärt auch die bitteren Tränen, die Federer auf dem Platz und noch auf dem Weg in die Kabine weinte.

Den Titel verloren. Gegen Nadal verloren. Und all das auf einem Hartplatz – dem letzten Belag, auf dem Federer nach wie vor als der unangefochtene Champion galt. Im Wimbledon-Finale hatte Nadal ihn bereits auf Rasen entthront, nun scheint der Spanier auf jedem Untergrund alles gewinnen zu können. „Ein Traum ist für mich wahr geworden“, sagte Nadal. „Es ist der sechste Titel, aber dieser fühlt sich irgendwie anders an.“ Anders, weil Nadal so hart dafür gearbeitet hat, gerade auf diesem Untergrund mithalten zu können. Mit 22 Jahren hat er nun auf allen Belägen einen Grand-Slam-Titel gewonnen. Und dennoch bestand sein erster Akt gestern darin, sich bei seinem Gegner zu entschuldigen. „Er ist der Größte“, sagte Nadal. „Es tut mir leid für ihn.“

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