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Berlin-Marathon: Triumph auf die harte Tour

Der Handbiker Vico Merklein siegt und arbeitet wie ein Profi.

Berlin - Einen Kilometer vor dem Ziel bemerkte Vico Merklein, dass er es auf die harte Tour machen musste. Die anderen neben ihm, Arkadiusz Skrzypinski und Walter Ablinger, machten plötzlich nur noch Dienst nach Vorschrift, sie rollten ohne großen Krafteinsatz, aber mit Merklein konnten sie so etwas nicht machen. „Die wollten, dass wir nebeneinander durchs Ziel rollen“, sagt Merklein.

Doch so was läuft nicht mit ihm, auch wenn Skrzypinski sein Kollege beim Team Sopur ist. Wozu hatte Merklein mehr Führungsarbeit geleistet als die anderen, wozu gab er den anderen Windschatten? Also drehte er, als wollte er die Kurbel seines Handbikes herausreißen, zwang die anderen, mitzurollen, aber die schafften es nicht mehr. Nach 1:04:12 Stunden überquerte Merklein, 34 Jahre alt, querschnittsgelähmt seit einem Motorradunfall, die Ziellinie. Er hatte wieder mal bei den Handbikern gewonnen, sein zweiter Sieg nach 2010. Am Ende hatte er eine Sekunde Vorsprung auf Skrzypinski und zwei Sekunden auf Ablinger. Streckenrekord war er auch noch gefahren. Mit enormem Krafteinsatz fuhr auch der querschnittsgelähmte Ex-Turner Ronny Ziesmer aus Cottbus. Der 32-Jährige gewann mit dem Handbike in seiner Schadensklasse in 2:01:49 Stunden.

Eine Stunde später sitzt Merklein in seinem Rollstuhl und seufzt: „Bei uns wird es immer professioneller, das ist ja das Schlimme. Man pushst sich gegenseitig immer weiter hoch.“ Genau genommen stört es ihn vor allem dann, wenn die anderen noch professioneller sind als er. Bei der WM vor zwei Wochen gewann ein Franzose zwei Goldmedaillen, Merklein kam zu Silber und Platz vier. „Der hat wohl besser gearbeitet als wir“, sagt der 34-Jährige.

Immerhin, er kann einiges bieten. Einen Computer mit Display für 2500 Euro an seinem Trainingsbike zum Beispiel. Der Computer zeigt ihm Wattleistung, Puls, Trittfrequenz und Geschwindigkeit an, Merklein kann damit seine Kräfte optimal dosieren. Sein Bike mit Karbonreifen kostet rund 9000 Euro, jedes zweite Jahr liefert ihm sein Sponsor ein neues. Und an einem Olympiastützpunkt lässt sich Merklein mehrmals pro Jahr testen. Mit modernster Technik wird dann Leistungsdiagnostik betrieben.

Welche Kraft auf der Strecke eingesetzt wird, erzählt Merklein mit einem kleinen Beispiel. Gestern musste er eine Lücke von 50 Metern zufahren. „Da arbeitete ich mit 400 Watt“, sagt Merklein. „Wer sich ein wenig auskennt, weiß, was das bedeutet.“ 400 Watt treten Radprofis bei steilen Bergetappen.

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