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© Eventpress Hoensch

Berliner Lektionen: Ein Leben nach dem Fußball

Herthas früherer Trainer Hans Meyer plaudert mit Moritz Rinke im Renaissance-Theater in Charlottenburg über Fußball und die Welt.

Berlin - Ganz am Ende hat Hans Meyer die Bühne doch noch für sich alleine. Sein Kombattant Moritz Rinke ist in den Rang hinabgestiegen, die fünfhundert Zuschauer klatschen, Meyer aber steht noch da, ein wenig linkisch, die Arme vor dem Körper wie ein Fußballer in Erwartung eines Freistoßes. Das Schlusswort nach dem Schlusswort gehört ihm – und niemand quatscht dazwischen. Also sagt er, wenn er noch einmal an einer solchen Veranstaltung teilnehmen sollte, an einem Zwiegespräch über Fußball und die Welt, „dann bereite ich das vor“. Hans Meyer besitzt eben gerne die Hoheit über das Geschehen, vor allem wenn er zwischendurch mal das Gefühl hat, „dass zu viel auf meine Kosten gelacht wird“. Aber das kann er, anders als gelegentlich kolportiert wird, durchaus aushalten.

Wenn Hans Meyer gewollt hätte, hätte er am Tag zuvor bei Hannover 96 auf der Trainerbank sitzen können. Er war der erste Kandidat für die Nachfolge von Andreas Bergmann. Meyer, inzwischen 67 Jahre alt, hat dankend abgelehnt. Auch bei Hertha BSC war er im Herbst zumindest im Gespräch, genauso wie in Stuttgart, beim VfB; aber Hans Meyer, der sein Rentnerdasein für den wirklich allerletzten Trainerjob gleich mehrmals unterbrochen hat, vermittelt inzwischen sehr glaubhaft, dass es für ihn ein Leben nach und ohne den Fußball gibt. „Ich habe mir fest vorgenommen, in diesem Jahr ein bisschen von der Welt zu sehen“, sagt er. Eine Rückkehr auf den Trainingsplatz passe da überhaupt nicht in seine Planung. Und zwischendrin macht er ja auch noch in Kultur.

„Berliner Lektionen“ heißt die Veranstaltung im ausverkauften Renaissance- Theater in Charlottenburg. Hans Meyer, Trainer im Ruhestand, trifft den Dramatiker, Schriftsteller und Tagesspiegel-Autor Moritz Rinke. Beide haben sich vor Jahren bei der Autoren-Nationalmannschaft kennengelernt, zusammen sind sie Vize- Weltmeister geworden, Meyer als Trainer, Rinke als Stürmer. Erfolg verbindet, genauso wie die gemeinsame Herkunft vom Dorf. „Ich kann das inzwischen ganz gut verbergen“, sagt Meyer.

Es ist kein investigatives journalistisches Verhör, dem Meyer an diesem Sonntagvormittag ausgesetzt ist. Die Zuhörer, darunter Herthas Präsident Werner Gegenbauer, erleben eine nette, oft herrlich ironische und trotzdem geistreiche Plauderei, die von Meyers fußballerischen Anfängen auf dem Dorf, bei Motor Dietlas in Südwestthüringen, bis hin zu den verdrängten Tabuthemen des Fußballs reicht: Depressionen und Homosexualität. „Ich habe in 40 Jahren nicht einen Spieler gehabt, von dem ich sagen kann, der ist homosexuell“, sagt Meyer. Weil es sie nicht gibt oder weil niemand wagt, sich zu outen, nicht einmal nach der Karriere? Für Meyer ist es „kein Zufall“, dass ihm in all den Jahren kein Fall bekannt geworden ist: „Die Art und Weise, wie der Fußball läuft, bietet für Menschen mit dieser Form der Sexualität keine Basis“, sagt er. Diese Erkenntnis spricht nicht gegen Meyer, eher gegen den Fußball.

Nein, Meyer kann nicht nur lustig, aber lustig kann er eben am besten. Ja, es stimmt, erzählt er, dass Raphael Schäfer, der Torhüter des 1. FC Nürnberg, den DFB-Pokal drei Tage nach dem Sieg im Endspiel 2007 nicht mehr rausgerückt habe. Aber es stimme nicht, dass der Herr Roth – der etwas kleinwüchsige Präsident des FCN – „zwei Nächte im Pokal geschlafen hat“. Dann wird Meyer genötigt mit Rinke einen von dessen Texten mit verteilten Rollen vorzulesen. Es ist ein fiktives Interview mit dem DFB-Pokal, und Hans Meyer ist der Pokal. „Ich habe mich in meinem Leben sehr oft zum Affen gemacht“, sagt er. „Das ist der Höhepunkt.“ Besonders traurig sieht er dabei nicht aus.

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