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Sport: Berlins kluger Bodybuilder

Leopold Merc wird heute 75 – er trainiert immer noch

Berlin - 620 Muskeln hat der menschliche Körper. Leopold Merc kennt sie alle. Das liegt nicht nur an seinem Interesse für medizinische Fachliteratur, sondern vor allem daran, dass er seinen Körper seit 56 Jahren intensiv trainiert und perfekt beherrscht. Poldi, wie ihn Freunde nennen, ist Berlins berühmtester Bodybuilder. Er war Mister Universum und eine Legende West-Berlins. 1956 eröffnete er das erste Bodybuilder- Studio der Stadt, an einen Fitnessboom war noch nicht zu denken. Heute wird er 75 Jahre alt.

„Seitdem hat sich viel verändert“, sagt Merc. Begonnen hat er damals mit zwei Geräten: einem für die Beine und einem zum Ziehen für die Arme. Dennoch kamen sie aus allen Teilen West-Berlins zu ihm, darunter viele Schauspieler und Prominente. „Alle wollten sie sich einsetzen für einen schönen Körper, das ist doch klar!“ sagt Merc. Wenn man genau hinhört, kann man noch den leichten Wiener Dialekt des geborenen Österreichers vermuten. Als sein Landsmann Arnold Schwarzenegger von Mercs Studio hörte, kam er im Sommer ’66 nach Berlin, um mit Merc zu trainieren. „Er war ein harter Kerl, unglaublich diszipliniert was das Training anging“, erinnert sich Merc. Deshalb wundert ihn auch nicht die unvergleichliche Karriere, die Schwarzenegger danach hingelegt hat.

Merc selbst wollte nie Karriere machen. Mit den Wettkämpfen hat er bald aufgehört. Überhaupt wirkt er ungewöhnlich höflich, charmant und gebildet. Merc spricht neun Sprachen, benutzt medizinische Fachbegriffe und zitiert gern Goethe. Als ehemaliger Wiener Sängerknabe interessiert er sich für Kirchenmusik und scheint das komplette Gegenteil eines typischen Bodybuilders zu sein. Doch Merc gibt sich bescheiden: „Ich bin doch kein Phänomen, weder körperlich noch geistig. Das macht alles Spaß und ist extrem nützlich. Außerdem ist es ein gutes Training im Alter.“ Das Klischee des Muskelmannes, der nichts im Kopf hat, kennt er wohl, „aber ich habe keine Ambitionen, damit aufzuräumen“. Für ihn gehören die Arbeit des Körpers und die Arbeit des Geistes einfach zusammen: „Ich bin doch lieber ein wissender als ein unwissender Mensch.“

Mit der Arbeit des Köpers hat Merc nie aufgehört. Als nach der Wende an jeder Ecke Berlins ein Fitness-Center eröffnete, gab er sein Studio auf – rettete aber einige der Geräte in sein häusliches Schlafzimmer. Dort trainiert er immer noch mindestens zweimal die Woche vier bis fünf Stunden. Nicht körperliche Gründe hindern ihn daran mehr zu trainieren, sondern zeitliche. Merc ist ein beschäftigter Mann. Neben seinen vielen Hobbys versteht er sich als Ratgeber für andere Senioren. „Das ist mein Beitrag zur Nächstenliebe“, sagt Merc. Er zeigt ihnen, wie sie sich mit Übungen auch im Alter risikolos und ohne viel Aufwand fit halten können und gibt ihnen eine allgemeine Gesundheitsberatung.

„Pflege dich zu Kraft und Schönheit.“ Das hat seine „Frau Mama“ ihm früher geraten und nach dieser Devise lebt er noch heute. Und so kann er auch mit 75 Jahren noch einiges stemmen. Leopold Merc achtet aber gleichzeitig sehr darauf, sich nicht zu übernehmen. „Ich will mich doch auch nicht krank trainieren.“

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