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Die Eisbären nach dem Aus: Meisterhaft im Leiden

Die Eisbären suchen nach Gründen für ihr ungeheuerliches Scheitern – verstehen können sie ihre Viertelfinal-Niederlage gegen die Augsburger Panther selbst kaum.

Von Katrin Schulze

Berlin - Die Schläger rasselten in die Halterung. Wie an einer Perlenkette aufgereiht schlichen die Profis durch den Gang und warfen ihr Arbeitsgerät weg, als wäre es ein widerwärtiger Parasit. Einer nach dem anderen. Zuletzt war Constantin Braun dran. Der groß gewachsene Mann feuerte erst sein Spielzeug zur Seite und schmiss dann die Kabinentür im Stile eines bockigen Jungen hinter sich zu. Rums. Das war’s. Die Eisbären hatten sich aus dem Rennen um die deutsche Eishockeymeisterschaft verabschiedet. 2:6 waren sie den Augsburger Panthern vor eigenem Publikum unterlegen – und suchten am Mittwochabend einen Weg, damit umzugehen.

Während aus der Nachbarkabine schrillste Jubelschreie dröhnten, verbarrikadierten sich die Berliner Spieler, zwischendurch nur mit Grundnahrungsmitteln versorgt, in ihrem Versteck. Erst knapp eine Stunde nach Spielschluss fand der erste Profi Worte für das, was gerade vonstattengegangen war; zumindest versuchte er es. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stammelte Stefan Ustorf. „Keiner von uns hat das gezeigt, was er kann. Und was er in der Hauptrunde noch gezeigt hat.“ Tatsächlich haben die Eisbären innerhalb von zehn Tagen einen regelrechten Sturzflug hingelegt: Nachdem sie die beste Vorrunde in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga hingelegt hatten, gingen sie in der ersten Play-off-Runde gegen den Achtplatzierten der regulären Saison k. o.

Auf der Suche nach Gründen für dieses historische Scheitern tat sich der Klub bis gestern schwer. Steve Walker verwies sogar auf höhere Mächte. „Irgendwie war alles gegen uns“, sagte der Mannschaftskapitän. „Jeder hat von uns den Titel erwartet, aber so einfach ist das nicht.“ Hat der Druck die Eisbären wirklich gelähmt? Schwer zu glauben, da sie sich in den zurückliegenden Jahren gerade in entscheidenden Situationen nervenstark zeigten. Wahrscheinlicher ist die Tatsache, dass sie sich durch die Serienerfolge der jüngsten Vergangenheit einfach sattgesiegt haben. „Vielleicht hat man sich zu sehr ans Gewinnen gewöhnt und dachte, es ginge von allein“, analysierte Stefan Ustorf, nachdem er sich gefangen hatte.

Zu den mentalen Schwierigkeiten gesellten sich in der Best-of-five-Serie gegen Augsburg allerdings auch ungewohnte spielerische Mängel. Die Passgenauigkeit: verbesserungswürdig; das Körperspiel: zu nachlässig; das Powerplay: ideenlos; die Geschwindigkeit: zu langsam. Doch wie ist es überhaupt möglich, dass die dominanten Eisbären der Hauptrunde binnen kurzer Zeit so viel an Spritzigkeit einbüßten? „Uns haben vor den Play-offs fünf Spieler verletzungsbedingt gefehlt“, sagte Trainer Don Jackson mit fahlem Gesicht. „Sie waren noch nicht zu 100 Prozent fit. Überhaupt war unser Fitnesslevel nicht das beste.“

Womöglich ist er selbst daran nicht ganz unschuldig. Als sich andere Mannschaften durch die Play-off-Qualifikation quälten, wurden einige von Jacksons Profis bei einem Golftrip nach Mallorca gesichtet; auch während der Olympiapause schickte der US-Amerikaner seine Spieler für zehn Tage in den Urlaub.

Das alles lässt sich im Nachhinein natürlich einfach kritisieren, schließlich setzten die Berliner auch in den Jahren des Erfolgs auf eine Mischung aus Erholung und intensivem Training. Jetzt jedoch sind viele ihrer Leistungsträger jenseits der 30 – die Generation Erfolg bei den Eisbären wird älter, weswegen ein Umbruch in der Mannschaft eingesetzt hat. Nach Mark Beaufait im Vorjahr hat Denis Pederson schon vor Beginn der Endrunde seinen Rücktritt bekannt gegeben, was „einiges innerhalb des Teams verändert hat“, wie Jackson, nicht ohne noch ein paar Schimpfworte hinterherzuschieben, sagte. Auch Verteidiger Andy Roach wird wohl gehen, und Steve Walker könnte sich nach derzeitigem Gesundheitsstand im Sommer verabschieden. Die deutschen Routiniers Stefan Ustorf und Sven Felski werden den Eisbären nach eigenem Bekunden dagegen erhalten bleiben. „Ich höre doch nicht auf, wenn ich im Viertelfinale verliere. Das geht nicht“, sagte Sven Felski – er hatte sich gerade aus dem Berliner Versteck gewagt.

Andere wirkten da noch längst noch nicht so aufgeräumt. Sturmkollege Jeff Friesen zum Beispiel taumelte noch am späten Abend in kompletter Ausrüstung durch die Katakomben der Berliner Großarena. So, als wollte er gleich zum nächsten großen Spiel auflaufen.

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