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Beim Hinspiel im August letzten Jahres trennten sich Union II und Hertha II 1:1 unentschieden.

© Ian Stenhouse/No Dice Magazine

Kolumne: Berliner Fußball: Kleines Derby, große Unterschiede

In der Regionalliga Nordost steht am Wochenende das Derby zwischen den Reserveteams des 1. FC Union Berlin und Hertha BSC an. Zwei Mannschaften, die unterschiedlicher kaum sein könnten – sowohl im Sport, als auch in ihrer Kommunikation.

Es gibt auf Englisch viele komische alte Sprichwörter. Eines davon lautet: „Es gibt mehr als einen Weg, eine Katze zu häuten“. Obwohl es erst einmal ziemlich pervers klingt, ist die Bedeutung eigentlich ganz harmlos: Es gibt viele unterschiedliche Wege, ein Ziel zu erreichen. Und so wie alles auf dieser Welt, passt dieses Sprichwort sehr gut zum Berliner Fußball.

Nehmen wir zum Beispiel die Reservemannschaften von Hertha BSC und dem 1.FC Union Berlin, die am Samstag im Jahn-Sportpark aufeinander treffen (Beginn 15.00 Uhr). Hertha II hatte eine schwere Hinrunde – die Jungs von Trainer Jörg Schwanke schossen nur 18 Tore in 15 Spielen und holten 12 Punkte.  Es drohte der Abstieg. Schwanke wurde bereits im November durch Ante Covic ersetzt und mittlerweile läuft es viel besser: Hertha II ist im neuen Jahr noch ungeschlagen und hat in den bisherigen drei Spielen noch nicht ein Gegentor kassiert. Es sieht so aus, als ob Covic ein kleines Wunder bei Hertha vollbringt. Was macht er anders als sein Vorgänger? Wie kann eine Mannschaft plötzlich aufhören, Tore zu kassieren? Was erwartet er vom Derby gegen Union?

Hertha II tief im Abstiegskampf

Das alles werden wir im Moment leider nicht erfahren. So wie vor dem letzten Derby im August lässt Hertha BSC II niemanden in die Karten schauen. „Da die Mannschaft immer noch tief im Abstiegskampf steckt, soll sie sich momentan voll aufs Sportliche konzentrieren. Ich hoffe, Sie verstehen das“, bügelt Pressesprecher Arne Werner alle Interview-Anfragen ab. Die Tür, so wie momentan auch das Tor von Hertha BSC II, ist verschlossen.

Union II, auf der anderen Seite, spielt seit Anfang der Saison wunderbar offenen Fußball, schießt unheimlich viele Tore (kassiert natürlich auch ein paar) und steht auf dem  vierten Tabellenplatz. Trainer Robert Jaspert macht offensichtlich gute Arbeit und auch beim unangekündigten Anruf nimmt er sich sofort die Zeit, um ausführlich über seine Mannschaft zu sprechen.

Union II will attraktiven Fußball spielen

„Es ist gerade alles sehr zufriedenstellend”, sagt der 54-jährige Coach. “Wir bilden auch Spieler für den Profibereich aus und das gelingt momentan sehr gut. Oliver Oschkenat hat vor wenigen Wochen ein Profivertag unterschrieben”, erzählt er, „und Spieler wie Kapitän David Hollwitz oder Pascal Wedemann sind auch schon zu  Einsätzen in der Zweiten Bundesliga gekommen. Das ist für uns in der Nachwuchsabteilung und für mich als Trainer ein schöner Erfolg, unabhängig vom jetzigen Tabellenstand.”

Junge Spieler für die Profimannschaft auszubilden ist Jasperts Hauptaufgabe, aber er will mehr als das: Seine Mannschaft soll schönen, attraktiven Fußball spielen. „Jeder Trainer hat seine Philosophie und ich bin vielleicht ein bisschen altmodisch, aber ich glaube, dass die Menschen ins Stadion kommen, um Tore zu sehen und nicht nur für das Ergebnis”, erklärt er. “Junge Spieler neigen dazu, immer nach vorne zu Spielen und Tore machen zu wollen –  das ist ganz natürlich und ich lasse dem freien Lauf. Das geht zwar ein wenig auf Kosten der Verteidigung, aber so spielen wir für die Zuschauer attraktiven Fußball.”

In der Tat, bis jetzt gab es noch kein 0-0 bei Union II, stattdessen Ergebnisse wie ein 8:3 gegen Germania Halberstadt oder ein 5:2 gegen Optik Rathenow. Tore sind hier fast garantiert, kein Team der Regionalliga Nordost hat öfter getroffen als der Nachwuchs der „Eisernen“.

Die besten Nachwuchsspieler Berlins treffen aufeinander

Was erwartet Jaspert, wenn die derzeit sehr starke Verteidigung  von Hertha II am Samstag gegen seine torfreudige Mannschaft spielt? „Das wird eine sehr offene Partie, unabhängig davon, was beide Mannschaften bis jetzt geleistet haben. Ich rechne mit einem offensiven Schlagabtausch.“

Die Katze wird am Samstag gehäutet – so viel ist klar. Aber wie? Wird Hertha BSC II das Spiel kaputt-verteidigen und Union II damit frustrieren? Wird die geheime Vorbereitung der Herthaner sich bezahlt machen? Oder werden die Unioner  ihre offene Spielweise durchziehen und wie fast immer zwei oder drei Tore schießen? Wenn die besten Nachwuchsspieler Berlins aufeinander treffen, ist das immer interessant – aber dieses Wochenende umso mehr.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Aktuelle Fotos und Spielberichte aus dem unterklassigen Berliner Fußball gibt es auch unter www.facebook.com/NoDiceMagazine

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