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VfB-Trainer Jörg Schmidt.

© Stephen Glennon

Kolumne Berliner Fußball: VfB Hermsdorf: Ende einer Ära?

In der hektischen und umkämpften Berlin-Liga gibt es seit 16 Jahren eine Konstante: Den VfB Hermsdorf. Doch die Randberliner stehen vor einem großen Umbruch, der vor allem mit einer Person zusammenhängt.

Ich wohne in Kreuzberg. Fußball gucke ich hauptsächlich in Charlottenburg, Prenzlauer Berg oder Neukölln. Ich bin nicht so oft in den Randbezirken. Wenn mich jemand vor einem Jahr gefragt hätte, wo Hermsdorf ist, hätte ich nicht mehr als “weit weg” sagen können. Das stimmt eigentlich – Hermsdorf ist ganz schön weit weg und so ziemlich das Gegenteil von den hektischen Innenstadtbezirken. Der Berlin-Ligist VfB Hermsdorf spielt auf dem schönen Fußballplatz an der Seebadstraße am Rande der Eicherwerder Moorwiesen – aber nicht nur für die Ästhetik ist Hermsdorf die Reise wert.

Der VfB Hermsdorf ist kein gewöhnlicher Verein. Hier gibt es nicht so oft Abgänge und Zugänge, da die Mannschaft hauptsächlich aus Jungs aus der Gegend besteht. Alle kennen sich sehr gut und im Mittelpunkt dieser engen Beziehungen steht der Trainer, Jörg Schmidt. Seit 18 Jahren ist er der Chef beim VfB - doch am Saisonende ist Schluss. Für den gesamten Verein sind es aktuell also sehr emotionale Zeiten. Laut Teammanager Lars Schepull wird es “sicherlich sehr schwer ohne ihn. Es ist klar, dass alles, was wir in den letzten Jahren erreicht haben, sehr eng mit seiner Person verbunden ist.“

Was hat denn der Klub über die letzten fast zwei Dekaden unter Jörg Schmidt eigentlich erreicht? Die Berliner Fußball-Geschichtsbücher zeigen unter "VfB Hermsdorf" fast gar keine Einträge. Berliner Pokal Endspiel 2008 (0:2 Niederlage gegen Tennis Borussia nach einem tollen Sieg über den 1. FC Union im Halbfinale) und... das war’s.

Aber Erfolg wird in Hermsdorf nicht durch Siege und Trophäen gemessen. Hier ist Stabilität viel wichtiger. Dass so ein kleiner Verein, der wenig Geld zur Verfügung hat, sein sechszehntes Jahr ohne Unterbrechung in der höchsten Berliner Spielklasse steht, ist eigentlich nicht weniger als ein Wunder. Jörg Schmidt fasst das Geheimnis des Hermsdorfer Erfolgs so zusammen: “Hier stimmt einfach die Harmonie und die Chemie.“ Sein Nachfolger wird gesucht, aber es gibt gerade leider noch dringendere Probleme zu lösen.

Jedes Jahr ist die Zielsetzung in Hermsdorf sehr einfach: nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben. Dieses Jahr hat das nicht so gut geklappt. Die Mannschaft hat immerhin vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge und hat diese Saison ein paar sehr komische Ergebnisse erzielt. Zum Beispiel: ein 2:0 Auswärtssieg im Mommsenstadion – die einzige Heimniederlage von Tennis Borussia – und ein 6:2 Heimsieg gegen den Nordberliner SC. Aber auch: eine 3:4 Heimniederlage gegen Schlusslicht SC Johannisthal, das insgesamt nur drei Siege in dieser Saison feiern durfte.

Schepull kann diese Inkonsistenz erklären. „Es ist so, dass wir spielerisch zu den schwächeren Mannschaften der Liga gehören aber an Tagen, in dem die Mannschaft wirklich taktisch diszipliniert spielt und Einsatz und Teamgeist zeigt – typische Hermsdorfer Qualitäten – können wir jeden schlagen.“

Am Sonntag gibt es nicht nur für die erste Männermannschaft ein sehr wichtiges Heimspiel sondern auch für die zweite Mannschaft, die um den Aufstieg in die Landesliga kämpft – genau die Liga, die die erste Mannschaft vermeiden will. Warum ist der Unterscheid zwischen den beiden Teams so gering? „Das ist bei uns traditionell so“, erklärt Schepull. Sie trainieren immer zusammen und sicherlich ist der Erfolg der zweiten Mannschaft dadurch Zustande gekommen, dass sie als Bezirksliga Mannschaft unter Berlin-Liga Bedingungen trainieren.“ Das hat auch Vorteile für das erste Team. „Es gibt immer Austausch: Spieler aus der zweiten Mannschaft helfen in der ersten Mannschaft aus, so wie gerade jetzt, weil wir Verletzungsprobleme haben,“ sagt der Teammanager.

Beide Mannschaften können am Sonntag ein Schritt in die richtige Richtung nehmen – zuerst Hermsdorf II in der Bezirksliga gegen Aufstiegskonkurrent Union 06 und dann Hermsdorf I in der Berlin-Liga gegen den Köpenicker SC. Bleibt zu hoffen, dass es nächstes Jahr eine Mannschaft aus Hermsdorf in der Landesliga gibt. Aber auch, dass das bewundernswerte Werk von Jörg Schmidt, Hermsdorf für 16 Jahren in der hart umkämpften Berlin-Liga zu halten, heil bleibt – auch wenn er bald selbst nicht mehr da ist.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Aktuelle Fotos und Spielberichte aus dem unterklassigen Berliner Fußball gibt es auch unter: www.facebook.com/NoDiceMagazine

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