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Peking 2008 - Leichtathletikdff

© dpa

Betrug: Das Doping der anderen

In Peking reden immer mehr Athleten öffentlich über die anderen, über die Verdächtigen. Es klingt, als hätten sie sich abgesprochen.

Das Thema kursiert längst – allerdings nur in internen Kreisen der Sportler. Wer dopt? Wer steht unter Verdacht? Wer hat auffällige Leistungssprünge? All das sind die üblichen Fragen. Intern. Öffentlich verschwammen diese Fragen fast immer zu Andeutungen. Oder die Sportler blickten nur viel sagend.

Drei russische Geher sind als Dopingsünder aufgeflogen

Jetzt hat sich die Situation geändert. In Peking reden immer mehr Athleten öffentlich über die anderen, über die Verdächtigen. Es klingt, als hätten sie sich abgesprochen. Nach dem 20 Kilometer Gehen brach es aus der Potsdamerin Melanie Seeger heraus: „Ich habe hier das unfairste Rennen meiner Karriere erlebt.“ Seeger wurde 23. mit einem Rückstand von 5:25 Minuten auf die Siegerin, die Russin Olga Kaniskina (1:26,31 Stunden). „Die Spitze kann Zeiten gehen, da kommen wir nicht heran. Da können wir trainieren, wie wir wollen. Ich hoffe, dass die große Bombe platzt.“ Und sie sagte sehr deutlich, was sie mit „Bombe“ meint: „Die Russin kommt aus einer Trainingsgruppe, in der die Hälfte gedopt ist.“ Das ist zwar unbewiesen, klar ist aber, dass vor Peking sieben russische Leichtathletinnen, darunter fünf Medaillenfavoritinnen, wegen Verdachts der Manipulation von Urinproben vorläufig gesperrt wurden. Kurz darauf flogen drei russische Geher als Dopingsünder auf.

Einer von ihnen war Trainingspartner von Wladimir Bortschin, dem Olympiasieger über 20 Kilometer. Anschließend erklärte er, unbedarft oder skrupellos: „Ich bin in diesem Jahr noch nicht getestet worden.“ Ausgerechnet Bortschin, der eine Vergangenheit als Dopingsünder hat. Der Berliner Andre Höhne, der 25. wurde, sagte: „Was die vorne gemacht haben, war eigentlich unmöglich – aber sie haben es gemacht.“ Mit seiner Zeit von Peking wäre Höhne bei der WM 2007 noch Dritter geworden. Der Australier Jared Tallent, der Bronze gewonnen hatte, sagte: „Doping ist noch immer ein Problem, besonders in einem Land – und jeder weiß, welches Land gemeint ist.“ Das weiß jeder, nur ist Tallent selber das Höllentempo mitgegangen.

Auch Usain Bolt wird frontal angegangen

Auch der Jamaikaner Usain Bolt, der Sprintstar, der drei Weltrekorde verbesserte, wird frontal angegangen. Tobias Unger, der Deutsche Meister über 100 Meter, sagte in „Sport-Bild“: „Bolt läuft im Mai 9,80 Sekunden und im September auch. Er zeigt keine Schwächen nach langen Reisen, keine Müdigkeit durchs Training.“ Alles Reaktionen, die normal wären. „Die springen auf ihrer Insel rum, wie sie wollen. Ich muss mich bei Olympia an- und abmelden, für den Fall, dass wir eine Dopingkontrolle haben. Dagegen wüsste Bolt nicht mal, wie man so einen Bogen ausfüllt.“

Ludmilla Blonska, die Olympiazweite im Siebenkampf, muss ihren nicht mehr ausfüllen. Die Ukrainerin ist als Dopingsünderin aufgeflogen. Sie galt schon lange als verdächtig, schließlich wurde sie schon 2003 positiv getestet. „Ich traue ihr nicht über den Weg“, hatte Sonja Kesselschläger, in Peking auf Rang 17, schon vor den Olympischen Spielen gesagt. Blonska ist eine der wenigen, die schon 2007 namentlich angeprangert worden waren. Damals startete sie bei der Weltmeisterschaft, aber kurz danach sagte Kelly Sotherton, die WM-Zweite im Siebenkampf, dass niemand gegen sie habe antreten wollen. „Sie hat einmal betrogen, wer sagt, dass sie es nicht wieder tut?“ Sie tat es wieder. Als Wiederholungstäterin wird Blonska voraussichtlich lebenslang gesperrt.

Das Problem ist nur, dass sich jetzt auch Sportler zu Wort melden, die aufgrund ihrer Leistungen nicht frei vom Dopingverdacht sind. Gleichwohl: Horst Melzer, ehemaliger Trainer von Ex-Schwimmweltmeister Mark Warnecke begrüßt die neue Entwicklung: „Für solche Verdächtigungen kann man sofort verklagt werden, wenn man keine Beweise vorlegen kann – und das können die Sportler ja nicht.“ Doch die Diskussion müsse eröffnet werden. „Sonst hat man als sauberer Athlet überhaupt keine Chance mehr hat, bei Olympia mitzumachen.“ Solche Aussagen könnten für Druck sorgen. Denn: „Je mehr der Sport in der Öffentlichkeit mit Doping in Verbindung gebracht wird, desto mehr sinkt sein Marktwert.“ Und dann müssten auch Funktionäre, die aufs Image des Sports achteten, stärker reagieren.

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