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Sport: Bilder, die bleiben

Lewis Hamilton siegt auf dem Hockenheimring. Nick Heidfeld wird Vierter, Timo Glock landet in der Mauer

Am Südeingang des Hockenheimer Motodroms steht seit diesem Jahr der größte Bildschirm der Formel 1. So riesig ist das Ungetüm, dass es schon aus Kilometern Entfernung von der Autobahn aus sichtbar wird. Nach dem Großen Preis von Deutschland lässt sich sagen: Die Anschaffung hat sich bezahlt gemacht. Noch Stunden später flimmerten unzählige filmtaugliche Szenen des Rennens über den gigantischen Bildschirm. Allen voran die beiden Überholmanöver, mit denen der McLaren-Mercedes-Pilot Lewis Hamilton in der Schlussphase noch an Nelson Piquet Junior im Renault – der sensationell Zweiter wurde – und Ferrari-Fahrer Felipe Massa vorbeigezogen war. Der Engländer übernahm mit seinem vierten Saisonsieg zudem die alleinige WM-Führung.

Auch aus deutscher Sicht gab es neben dem ersten Mercedes-Sieg im Badischen seit zehn Jahren einiges auf der XXL-Leinwand zu bestaunen: BMW-Pilot Nick Heidfeld etwa verpasste nach einem verkorksten Qualifikationstraining als Vierter nach einem fehlerfreien Rennen nur knapp das Podest. „Das war ein schönes Heimrennen für mich“, sagte er. „Ich bin froh, dass ich den Fans etwas bieten konnte, die ich vielleicht am Samstag enttäuscht habe.“ Und auch Sebastian Vettel holte als Achter im unterlegenen Toro Rosso immerhin noch einen WM-Punkt. „Vor uns ist niemand ausgefallen, also verdienen wir diesen Punkt auch“, sagte Vettel Das konnten Nico Rosberg (Williams/10.) und Adrian Sutil (Force India/16.) zwar nicht behaupten, am unschönsten aber endete das Heimspiel für Timo Glock. Der Toyota-Pilot schied durch eine spektakuläre Unfallszene aus, blieb aber immerhin unverletzt.

Begonnen hatte das Rennen wenig leinwandtauglich. Hamilton konnte seine Poleposition vor Massa und seinem Teamkollegen Heikki Kovalainen verteidigen. Eine langweilige Prozession kündigte sich an – bis Timo Glock in der 36. Runde unfreiwillig erstes Videowandfutter produzierte.

Der Wersauer war wie Heidfeld durch einen erhöhten Tankvorrat und das Hinauszögern des ersten Boxenstopps recht weit nach vorn gespült worden. Doch bei der Einfahrt auf die Startzielgerade brach plötzlich die rechte Hinterradaufhängung seines Toyota. Glock wurde rücklings in die Boxenmauer geschleudert. Mit zweierlei Folgewirkungen: Der Deutsche selbst hatte hernach erkennbare Rückenschmerzen, und die auf der Strecke liegenden Trümmerteile seines Wagens machten eine Safetycar-Phase unumgänglich.

Diese nutzten fast alle Piloten zum Boxenstopp – nur drei Fahrer aus dem Vorderfeld blieben auf der Strecke: Nelson Piquet Junior, der auf einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs war, Nick Heidfeld und Lewis Hamilton. Während Heidfeld und vor allem Piquet davon profitierten und viele Positionen gutmachten, ging das Risiko für Hamilton zunächst nicht auf – sein komfortabler Vorsprung war dahin, wie er selbst auf dem großen Bildschirm erkennen musste. „Ich habe darauf gesehen, wie die anderen in die Box gefahren sind und das Team gefragt, ob sie sicher sind, dass ich nicht auch reinkommen soll“, sagte Hamilton. „Sie meinten nur: Bleib draußen.“ Eine gewagte Strategie. „Im Nachhinein hätte man Lewis reinholen sollen, dann wäre er sicher vorn geblieben“, gab Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug zu. „Aber Lewis hat das auf seine Weise geregelt – er ist gefahren wie von einem anderen Stern. Und die Zuschauer haben sich sicher über die zusätzliche Action gefreut.“

Tatsächlich folgte die aufregendste Phase des Rennens. Hamilton kam in der 51. von 67 Runden zum Tankservice und musste Heidfeld, Massa und Kovalainen passieren lassen. Der Finne ließ seinen Teamgefährten kurz darauf aber so anstandslos vorbei, dass Hamilton ein „großes Dankeschön“ in seine Richtung hauchte.

Doch selbst als Heidfeld zwei Runden später ebenfalls die Box ansteuerte, lagen immer noch Massa und Piquet vor Hamilton. Nach kurzer Gegenwehr musste ihn Massa passieren lassen: „Ich habe es probiert“, sagte der Brasilianer, „aber ich hatte nicht das Auto, um zu kämpfen.“ Als Hamilton vorbei war, dachte er, „meine Arbeit sei getan. Aber dann funkte das Team: Du musst noch Nelson überholen. Ich dachte: Okay, dann eben noch mal, das macht Spaß.“ Mit einem beinahe identischen Überholmanöver eroberte Hamilton endgültig die Spitze zurück und zeigte, dass er seinen ersten WM-Titel dieses Jahr nicht so knapp verpassen möchte wie in der vergangenen Saison: „Wenn wir dieses Momentum aufrecht erhalten können, sieht es sehr gut für uns aus.“ Man brauchte übrigens keine Großleinwand, um das zu erkennen.

Christian Hönicke[Hockenheim]

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