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Birgit Prinz.

© dapd

Birgit Prinz im Interview: "Ich konnte nicht mit dem Druck umgehen"

Die deutsche Nationalstürmerin über ihre Gefühlslage und die Chance, bei der WM noch einmal zu spielen.

Frau Prinz, Sie wirkten nach Ihrer Auswechslung im zweiten Gruppenspiel gegen Nigeria sehr aufgebracht. Was haben Sie gedacht, als Sie sich die Szene noch einmal angesehen haben?

Ich habe mir die Szene nicht noch einmal angesehen. Aber ja, ich habe emotional reagiert, ich denke aber auch, dass das menschlich ist. Es war ein emotionsgeladenes Spiel, Nigeria war ziemlich hart dran. Es war relativ kurz nach der Halbzeit und ich hatte probiert ins Spiel reinzukommen und war dann einfach ein bisschen enttäuscht und sauer. Und so habe ich auch reagiert. Aber ich denke, ich bin nicht ausfallend geworden und habe mich nach fünf Minuten auch wieder beruhigt. Von daher finde ich, ist das völlig im Rahmen und völlig okay.

Es wurde ja viel interpretiert, ob Sie mehr über sich selbst sauer waren oder über die Tatsache, ausgewechselt worden zu sein. Was hat denn überwogen?

Ich glaube, das war eine Mixtur. Ich war in der Situation nicht begeistert, ausgewechselt zu werden, das wäre auch komisch, fünf Minuten nach der Halbzeit. Aber natürlich war ich auch mit meiner eigenen Leistung nicht zufrieden. Ich habe die ersten zwei Spiele leider nicht ganz so gespielt, wie ich mir das vorgestellt habe und darüber war ich enttäuscht.

Was hat Sie bewogen, dann zur Bundestrainerin zu sagen, dass Sie sich nicht in der Lage sehen, gegen Frankreich im letzten Gruppenspiel zu spielen?

Da muss ich ein bisschen ausholen. Es war so, dass in meinen Augen die ersten zwei Spiele nicht gut gelaufen sind, dass ich es nicht geschafft habe, mit dem Druck entsprechend umzugehen. Ich habe mir selber Druck gemacht, ich wollte sehr gerne gut spielen. Ich wusste, wir haben sehr, sehr starke Konkurrenz in der Mannschaft. Ich habe auch gemerkt, dass mir die Stimmung von außen nicht unbedingt positiv zugetan ist, sondern man eigentlich darauf wartet, dass ich einen Fehler mache und schreiben kann, dass die jungen Spielerinnen besser sind als ich. Und da habe ich mir einfach Druck gemacht. Es ist ja dann leider auch nicht so gelaufen, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich der Mannschaft im dritten Spiel nicht helfen kann, weil ich einfach noch nicht das Gefühl hatte, gut mit der Situation umgehen zu können. Und deswegen waren Silvia (Bundestrainerin Silvia Neid, A.d.R.) und ich uns da dann auch einig, dass es sinnvoller ist, eine andere Spielerin spielen zu lassen, die es in dem Moment einfach lockerer und besser hinbekommt.

Es braucht schon ein gewisses Maß an Größe, sich das einzugestehen.

Ich glaube, ich war in meiner gesamten Karriere ein Teamplayer, auch in der Zeit, wo ich eigentlich ganz oben stand. Und ich glaube, das wird sich jetzt auch nicht verändern, wo ich Kritik ausgesetzt bin und meine Position umstritten ist. Ich denke, in dem Moment hätte es mir nichts gebracht, es hätte der Mannschaft nichts gebracht und dann ist es einfach manchmal sinnvoller, Entscheidungen zu treffen, die für mich auch nicht ganz einfach waren. Zu sagen: Hey, ich glaub, ich krieg’s nicht gut hin, war wirklich keine leichte Entscheidung.

War es in Ihren Sinne, dass die Bundestrainerin diese Gefühle von Ihnen öffentlich verbreitet hat?

Wir hatten uns nicht direkt abgesprochen, wie sie was nach außen kommuniziert. Aber ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie da irgendetwas gesagt hat, was ein Problem oder irgendwie schwierig für mich ist. Es musste ja kommuniziert werden, es war klar, dass Fragen kommen. Und warum sollten wir Ihnen da etwas vormachen in der Situation? Warum sollten wir irgendeine Ausrede erfinden?

Es ist schon bemerkenswert, dass Sie das alles so einräumen. Hatten Sie denn nie Angst, dass sich dieser Eindruck von Ihnen verfestigen könnte? Es ist ja etwas anderes, einzugestehen, dass man sich mental nicht in der Lage sieht, oder dass man sagt: Ich bin im Moment nicht in Form.

Das stimmt, aber ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass ich nicht in Form bin. Ich habe eigentlich eine ganz gute Vorbereitung gehabt. Natürlich wurden die Vorbereitungsspiele von Mal zu Mal schlechter, was allerdings nicht unbedingt mit meiner Form zusammenhängen kann. Natürlich ist es nicht das Gewöhnliche, zu sagen: Ich hab’s nicht hingekriegt. Aber es ist nun mal so und ich glaube, es ist auch menschlich. Jeder, der schon mal in einer Drucksituation war, weiß, dass es manchmal dann eben nicht so klappt mit der Leistung, wie man sich das wünscht und vorstellt. Und ich finde es dann einfach legitim, das dann auch zuzugeben.

Sie berichten hier sehr reflektiert über die Entwicklung in den vergangenen Tagen. Haben Sie die Zeit gebraucht, das für sich zu verarbeiten und einordnen zu können?

Definitiv, ja. Das war durchaus so geplant. In den ersten Tagen hätte ich das so nicht hingekriegt. Natürlich habe ich mich angegriffen gefühlt und natürlich haben mich auch einige der Vorwürfe aus der Presse getroffen. Es wäre komisch, wenn das nicht so wäre. Ich habe meine Zeit gebraucht und ich glaube, ich habe sie auch genutzt. Ich hatte Gott sei Dank relativ viele Ansprechpartner in der Mannschaft und auch außerhalb der Mannschaft. Ich war jetzt der Meinung, dass ich das ganz gut verarbeitet habe und ich mich Ihnen stellen kann.

Was von der Kritik empfanden Sie denn als ungerechtfertigt?

Ich fand die Kritik einfach ein bisschen übertrieben, das fand ich ungerechtfertigt. Ich stehe dazu, dass ich die ersten zwei Spiele dieses Turniers nicht gut gespielt habe. Aber es hatte für mein Empfinden ein bisschen was von einer Hetzjagd. Das fand ich einfach übertrieben. Aber da weiß ich natürlich auch, wie Presse funktioniert. Von daher konnte ich das dann auch irgendwie einordnen.

Bei der EM vor zwei Jahren gab es auch eine Situation, in der Sie in der Kritik standen. Inwiefern hat Ihnen das geholfen?

Ich habe jetzt davon profitiert, dass ich bei der EM schon mal in der Kritik stand und gewisse Mechanismen einfach da schon verstanden habe und für mich schon ein bisschen was gelernt habe. Richtig vergleichbar ist das nicht, weil es einfach andere Dimensionen waren und auch das Thema ein bisschen anders war. Natürlich war bei beiden Malen das Thema, dass ich das Tor nicht treffe. Aber diesmal war es schon um einiges grundsätzlicher, wie an mir gezweifelt wurde.

Was haben Sie denn in den vergangnen Tagen getan, um das zu verarbeiten und wie konnte Ihnen die Mannschaft dabei helfen?

Im Prinzip habe ich versucht zu verstehen, was mich daran so arg trifft. Meistens treffen einen ja die Dinge, die man sich selber auch vorwirft. Und dann geschaut: Was kann eine Lösung sein. Die eine Lösung wäre gewesen: Ich stecke den Kopf in den Sand und sage, ich lass ihn drin, dann kann keiner mehr auf mich draufhauen, dann tut’s auch nicht mehr so weh. Die zweite Möglichkeit war, aufzustehen und zu schauen, was ich hier für das Ganze noch machen kann, was ich für die Mannschaft tun kann. Die Mannschaft hat mir das Gefühl gegeben, dass ich trotzdem wichtig für sie bin. Auch wenn es jetzt mal zwei Spiele sportlich nicht geklappt hat. Dass ich ein wichtiger Teil dieses Teams bin und auch bleibe und die mich nicht in Frage stellen, so wie das andere gemacht haben. Und das ist in so einer Situation eine richtige Unterstützung.

Gab es einen Moment, in dem Sie dachten: So mir reicht es jetzt, ich habe keine Lust mehr dazu?

In der ersten Emotion gab es so etwas. Wo ich gedacht habe: Was soll das eigentlich, was tue ich mir hier eigentlich noch an. Es war aber Gott sei Dank nur die erste Emotion, über die ich dann ja irgendwie auch hinweg gekommen bin. Aber am Anfang war das schon auch da.

Haben Sie denn jetzt vor dem Viertelfinale gegen Japan das Gefühl, dass Sie der Mannschaft helfen können? Gehen Sie davon aus, dass Sie spielen werden?

Ich habe das Gefühl, dass ich mich wieder gut sortiert habe. Ich habe auch eigentlich gestern gut trainiert und denke auch, dass ich langsam meine PS wieder auf die Straße kriege und ein bisschen verstanden habe, dass ich mir einfach zu viel Druck gemacht habe. Von daher fühle ich mich definitiv in der Lage zu spielen. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass ich von Anfang an spielen werde, weil es wenig Grund gäbe, jetzt in der Offensive etwas zu verändern. Wir haben im letzten Spiel vier Tore geschossen. Von daher gehe ich davon aus, dass die Offensive so stehen bleibt.

Wie sehr wünsche Sie sich denn noch einen Einsatz und vielleicht ein Tor, um allen zu zeigen, dass Sie es noch können?

Um das Tor geht es mir eigentlich gar nicht so. Natürlich wünsche ich mir, noch einmal zu spielen. Ich würde gern einen anderen Eindruck hinterlassen und irgendwie auch für mich das Ganze positiver abschließen, als es im Moment ist. Aber ich habe mich jetzt wirklich mit der Situation arrangiert. Ich werde probieren, wenn ich die Chance kriege, das zu tun, was ich kann und der Mannschaft zu helfen. Wenn ich nicht mehr aufs Feld kommen sollte, probiere ich halt meine anderen Fähigkeiten einzubringen und die Mannschaft dort zu unterstützen, wo ich kann. Und dann denke ich halt: Okay, du hast das getan, was ging. Es ist einfach dumm gelaufen, warum auch immer, es gibt viele Gründe. Ich habe das dann zu akzeptieren.

Das heißt, Sie würden sich zur Not auch mit der Rolle auf der Bank zufrieden geben?

Glücklich wäre ich natürlich nicht darüber, das ist keine Spielerin. Ich denke, jede der 21 Spielerinnen hier will auch spielen. Deswegen sind wir hier. Wenn ich jetzt sage, ich bin glücklich, wenn ich nur auf der Bank sitze, dann gehöre ich eigentlich nicht mehr hier hin. Aber wie gesagt: Meine Idee ist immer Teamsport gewesen und wenn es im Moment die Situation erfordert, dass ich mich nur auf die Bank setzen kann, dann werde ich damit umgehen können. Natürlich werde ich zu den Spielen enttäuscht sein und auch frustriert, aber ich glaube, dass ich darüber hinwegkomme und das dann auch so ausfüllen kann, wie ich es mir vorstelle.

Aufgezeichnet von Anke Myrrhe.

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