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Sport: Blumen im Mülleimer

Wieder werden bei den Paralympics die Medaillen falsch vergeben

Beim Namen „Grimm” horcht ein Athlet im Schwimmstadion auf. Er sitzt in einem Rollstuhl in der ersten Reihe, doch das aktuelle Rennen im Wasser interessiert den Mann mit der Tätowierung „Athen 2004“ auf dem rechten Oberarm plötzlich weniger. Er lauscht dem Gespräch eines Journalisten mit einem deutschen Schwimmtrainer. Es geht um die seltsamen Ereignisse vom Vorabend, als der deutsche Schwimmer Thomas Grimm bei der Siegerehrung Gold erhielt – und dann auf Silber zurückgestuft wurde. „Was ist denn der Stand?“, will er wissen, „ich hätte nämlich die Bronzemedaille erhalten.“

Niels Grunenberg ist der eigentliche Leidtragende dieser Affäre. Er hatte am Vorabend die Bronzemedaille für das Rennen über 100 Meter Brust der Startklasse SB 5 bekommen. „Während der Siegerehrung hörten wir plötzlich die Mexikaner jubeln“, erinnert sich Schwimmtrainer Mathias Ulm, „aber wir wussten nicht, was das bedeutet.“ Erst anschließend erfuhr es Grunenberg: Einem Protest der Mexikaner war stattgegeben worden, die Disqualifizierung des erstplatzierten Pedro Rangel wurde zurückgenommen – Thomas Grimm rutschte auf Rang zwei, Niels Grunenberg auf Rang vier. „Die Medaille habe ich zurückgegeben, ich bin ja fair“, sagte er, „aber den Blumenstrauß habe ich in den Mülleimer geworfen.“

Bereits die Siegerehrung im Rollstuhlrennen über 5000 Meter der Frauen der Klasse 54 ist für ungültig erklärt worden, das Rennen musste nach einem Protest wiederholt werden. Trotzdem will der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) darin kein organisatorisches Problem sehen. „Sehen Sie die positiven Fälle, wir verteilen hier hunderte von Medaillen“, sagte Philip Craven dem Tagesspiegel. Er gibt zwar zu, dass so etwas nicht vorkommen dürfe. „Ich entschuldige mich bei den Sportlern, aber Fehler kommen vor, wir sind alle nur Menschen“, sagte der IPC-Präsident, „wir in der Paralympischen Bewegung lernen von unseren Fehlern.“

Dass trotzdem der gleiche Fehler zweimal passieren konnte, erklärt Philip Craven mit den unterschiedlichen Sportarten Schwimmen und Leichtathletik. Immerhin ist der Oberschiedsrichter im Schwimmen nach dem Vorfall abgelöst worden. Die deutschen Schwimmer stört vor allem, dass dem Protest überhaupt stattgegeben wurde. Der Mexikaner war von einem Kampfrichter wegen Tauchens disqualifiziert worden – doch das wurde zu spät bekannt gegeben. Kurzzeitig war Pedro Rangels Name als Sieger auf der Anzeigentafel erschienen. Womit das Ergebnis nach dem Regelwerk des Schwimmverbandes festgestanden hat. „Die Schwimmer können doch nicht durch einen technischen Fehler des Kampfgerichts bestraft werden“, sagt Trainer Mathias Ulm. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hat einen Beschwerdebrief an das IPC geschrieben, der aber sportrechtlich keine Auswirkung hat.

Grunenberg hofft trotzdem, seine Bronzemedaille zurückzubekommen. Ihm liegt die Angelegenheit mehr am Herzen als Thomas Grimm, der Silber erhalten hat und nach den Spielen seine Karriere beendet. Für Grunenberg aber sieht es nicht gut aus. „Die Regeln des Verbandes sind befolgt worden, technisch ist dieser Fall abgeschlossen“, sagt IPC-Sportdirektor David Grevenberg. Bleibt nur noch der Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas, eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen.

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