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Entspannt auf der Bank. Trainer Lucien Favre hat mit Borussia Mönchengladbach ganz andere Zeiten erlebt. Noch vor vier Jahren wäre er beinahe abgestiegen.

© dpa/Becker

Bundesliga-Saisonvorschau (16): Borussia Mönchengladbach: Zurück aus der Geschichte

Am 14. August startet die Fußball-Bundesliga in ihre 53. Saison. In unserer Serie testen wir Stärken, Schwächen und Vorlieben der Vereine. Folge 16: Borussia Mönchengladbach.

Was hat sich verbessert?

Was für eine Frage! Man muss schon hart auf die 50 zugehen und sich noch an Walter Scheel als Bundespräsident erinnern können, um als Fan von Borussia Mönchengladbach bessere Zeiten erlebt zu haben. Zum ersten Mal seit 1977/78 – damals hieß der Wettbewerb noch Europapokal der Landesmeister – hat sich der Klub für die Champions League qualifiziert. „Die Champions League ist für uns vergleichbar mit dem Gewinn der Meisterschaft“, sagt Sportdirektor Max Eberl. Den meisten Fans geht es nach 20 Jahren permanenten Leidens ähnlich. Für den 27. August haben sie alle Termine gecancelt, ab 17.45 Uhr werden sie vor dem Fernseher sitzen, um die Auslosung der Gruppenphase zu verfolgen. Und kurz darauf werden vermutlich die Internetseiten sämtlicher Billigfluglinien zusammenbrechen.

Wer sind die Stars?

Könnten wir die Frage mal kurz zurückstellen? Bis ins kommende Frühjahr vielleicht, wenn die ersten Meldungen auftauchen, für welche Spieler der Gladbacher die Bayern, Dortmund, Wolfsburg oder Barcelona mal wieder zweistellige Millionensummen zu zahlen bereit sind? Das sind dann vermutlich die Stars der aktuellen Saison, so wie es in der vorigen die beiden deutschen Nationalspieler Max Kruse und Christoph Kramer waren, die jetzt für die Konkurrenten Wolfsburg respektive Leverkusen spielen. Was bei anderen Klubs jedoch regelmäßig zu Jammeranfällen führt, nehmen die Gladbacher inzwischen mit stoischer Gelassenheit hin. Getreu der alten Fohlenphilosophie machen sie sich eben immer wieder neue Stars. Trainer Lucien Favre hat gerade gesagt, man solle sich die Namen Marvin Schulz, Mo Dahoud, Andreas Christensen, Nico Elvedi, Djibril Sow und Tsy-William Ndenge merken, alle zwischen 18 und 20 Jahre alt. Bis sie die Starrolle übernehmen, könnten allerdings noch Granit Xhaka oder Patrick Herrmann einspringen, die in der vergangenen Saison den größten Entwicklungsschritt gemacht haben. Oder Neuzugang Lars Stindl, der in seinem ersten Pflichtspiel gleich zwei Tore zum 4:1-Sieg gegen St. Pauli im Pokal erzielte. Das hat Max Kruse vor zwei Jahren nicht geschafft.

Wer hat das Sagen?

Wen interessiert das? In Mönchengladbach scheint diese Kategorie keine Relevanz mehr zu haben. Weder in der Mannschaft noch im Verein. Von Präsident Rolf Königs hat man seit Ewigkeiten nichts mehr gehört, was immer ein gutes Zeichen ist; Eberl und Favre haben sich nach leichtem Knirschen im zwischenmenschlichen Bereich inzwischen so arrangiert, dass sie als kongeniales Pärchen der Kategorie Allofs/Schaaf durchgehen, in dem es weder Herrn noch Hund gibt – und auch die Mannschaft hält offenbar nicht viel vom ewig deutschen Führungsspielergequatsche. Bis jetzt hat sie nach dem Weggang von Filip Daems nicht einmal einen festen Kapitän. Wozu auch? Daems hat vorige Saison keine einzige Sekunde gespielt. Vielleicht will deshalb niemand die Binde haben.

Was erwarten die Fans?

Dass sich am 27. August gegen 19 Uhr zumindest eine Internetseite eines Billigfluganbieters so lange aufrufen lässt, bis der Flug nach Barcelona (wahlweise auch Madrid, London, Rom) gebucht ist.

Was ist in dieser Saison möglich?

Es gibt ein paar Sätze von Lucien Favre, die jeder Gladbach-Fan im Schlaf herunterbeten kann. Einer lautet: „Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen.“ Für alle, die es trotzdem getan haben: Vor vier Jahren war die Mannschaft eigentlich schon in die Zweite Liga abgestiegen. Seitdem hat sich der Klub vom abschreckenden Beispiel mit fehlender personeller Kontinuität und wirrer Personalpolitik (vgl. Hertha BSC) zum Role Model für die gesamte Bundesliga entwickelt. Inzwischen ist Favre der älteste und dienstälteste Trainer der Liga, er hat die Gladbacher in drei von vier Jahren in den Europapokal geführt; doch eingedenk ihrer jüngeren Geschichte geben sich die Verantwortlichen weiterhin bescheiden: Ziel ist und bleibt ein einstelliger Tabellenplatz. Ohne zu viel zu verraten: Das sollte drin sein.

Und sonst?

Noch ein Beispiel aus Favres „geflügelten Worten“ gefällig? „Vergessen Sie Hrgota nicht!“ Es ist noch nicht lange her, dass Favre den Stürmer aus Schweden für – mindestens – einen künftigen Weltstar gehalten hat. Hrgota spielt seit drei Jahren für die Gladbacher, er ist jetzt 22 und in diesem Sommer U-21-Europameister geworden – allerdings auf der Ersatzbank. Inzwischen wäre er froh, wenn er es bei der Borussia wenigstens noch auf die Ersatzbank schaffen würde. In den jüngsten 13 Pflichtspielen hat Hrgota nicht eine Minute gespielt. Vergessen Sie Hrgota nicht? Es scheint fast, als hätte Favre ihn vergessen.

Morgen Folge 17: VfL Wolfsburg

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