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Sport: Cato in Berlin

Nur einer störte die Kölner Harmonie. Vor einigen Monaten fand sich tatsächlich jemand, der die verwegene kommunale Finanzpolitik hinsichtlich des Stadionumbaus in Müngersdorf zu kritisieren wagte.

Nur einer störte die Kölner Harmonie. Vor einigen Monaten fand sich tatsächlich jemand, der die verwegene kommunale Finanzpolitik hinsichtlich des Stadionumbaus in Müngersdorf zu kritisieren wagte. Regierungspräsident Jürgen Roters fragte laut, warum ausgerechnet Köln als einzige Stadt in Nordrhein-Westfalen nicht dazu in der Lage sei, dies ohne enorme Belastung der Steuerzahler zu realisieren. 25 Millionen des 120 Millionen Euro teuren Projekts trägt die Stadt. Mancher WM-Lobbyist empfand die Kritik jedoch als Verrat an der Stadt. "Blockadepolitik", schimpfte Oberbürgermeister Fritz Schramma und erklärte, worauf es ankommt bei einer solchen Bewerbung: auf schnelle unbürokratische Entscheidungen.

Sonst, fürchtete das Stadtoberhaupt, würde sich eine Geschichte wiederholen, die jeder fußballbegeisterte Kölner immer noch sehr ungern hört. Vor der WM 1974 nämlich war Köln als Bewerber leer ausgegangen - weil das Stadion nicht rechtzeitig fertig geworden war! Während die Mannschaft von Helmut Schön nebenan im neuen Düsseldorfer Rheinstadion gegen Schweden und Jugoslawien kickte, wurde in Köln-Müngersdorf noch gebaggert, geschaufelt, geschalt.

Seit Anfang der Sechzigerjahre war der Bau eines neuen Stadions in Köln immer wieder an parteipolitischen Zwistigkeiten gescheitert. Erst als der Weltverband Fifa Deutschland die WM 1974 zuschlug, wurde der Architekt Hans Schulten mit der konkreten Planung beauftragt. Dass dies in einer kölschen Lösung, sprich ohne Wettbewerb, vonstatten ging, begründete der Kölner Rat mit dem großen Termindruck; der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte eine Frist bis Herbst 1973 ausgegeben. Als im Oktober 1968 der futuristische Entwurf eines 80.000 Zuschauer fassenden Stadions vorgestellt wurde, schwärmten die Kölner bereits von "einer der schönsten Anlagen Europas", sprachen - ganz Weltstadt - von einem Schritt in eine "neue Sportepoche".

Doch bald wurde Kritik laut an den Stadtvätern. Sie hatten dem Architekten einen Blankoscheck ausgestellt, sodass die Kosten von ursprünglich 23,5 Millionen Mark auf zunächst über 50 Millionen explodierten, im Frühjahr 1971 sich gar auf etwa 100 Millionen belaufen sollten. Zu diesem Zeitpunkt wucherte immer noch das Grün auf den maroden Rängen der "Kampfbahn Köln-Müngersdorf". Am 15. April 1971 schließlich wurde das Projekt zu Grabe getragen. Alles begann von vorn, sogar ein Architektenwettbewerb. Das neue Stadion wurde November 1975 eingeweiht, 16 Monate nach der WM.

1974 gehörte auch Berlin zu den insgesamt neun WM-Standorten. Das war nicht ganz selbstverständlich, weil der Status der Stadt im politisch diffizilen Ost-West-Gefüge umstritten war. Und dennoch spielte die Endrundengruppe 1 inklusive der Teams aus Bundesrepublik und DDR dreimal im Berliner Olympiastadion. Bei der Europameisterschaft 1988 aber blieb Berlin auf Druck der osteuropäischen Staaten unberücksichtigt. DFB-Präsident Hermann Neuberger verteidigte diesen Kompromiss mit dem Hinweis darauf, "dass wir sonst die EM nicht bekommen hätten". Berlin fühlte sich brüskiert. Der Chef der örtlichen "Fußball-Woche", Rudi Rosenzweig, orientierte sich an Cato dem Älteren und seinem berühmten Satz: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Rosenzweig beendete seine Glossen fortan mit dem immer wiederkehrenden Satz: "Im Übrigen sind wir der Meinung, dass Hermann Neuberger als DFB-Präsident zurücktreten muss."

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