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Sport: Cottbus: Mit Energie ins Ungewisse

Den ersten Titel dieser Saison könnte Alexandra Gärtner holen. Die 19-jährige Cottbuserin hat blaue Augen, blondes Haar und gilt am kommenden Dienstag auf dem Cottbuser Oberkirchplatz als Favoritin.

Den ersten Titel dieser Saison könnte Alexandra Gärtner holen. Die 19-jährige Cottbuserin hat blaue Augen, blondes Haar und gilt am kommenden Dienstag auf dem Cottbuser Oberkirchplatz als Favoritin. Dort steht beim Bundesliga-Begrüßungsfest des FC Energie Cottbus als "absoluter Höhepunkt", wie die "Lausitzer Rundschau" schreibt, die Wahl zur "Miss Energie 2000" auf dem Programm. Für Alexandra Gärtner spricht, dass sie momentan genau zwei Konkurrentinnen bezwingen muss. Auch weist sie als amtierendes "Landskron-Lausitz-Kindl" Erfahrung auf.

Vom Fußballklub Energie Cottbus lässt sich das nicht sagen. Der Verein stieg am 26. Mai entgegen allen Vorhersagen in die Erste Bundesliga auf und ist der einzige echte Neuling in der höchsten Spielklasse Deutschlands. Zwar kickte der Klub bereits als BSG Energie Cottbus in der DDR-Oberliga, doch diese Zeit will Geschäftsführer Klaus Stabach nicht vergleichen. "Das ist jetzt der Höhepunkt der Vereinsgeschichte", sagt der Mann, der seit 1963 ununterbrochen dem Verein angehört, "wir spielen gegen Borussia Dortmund oder Bayern München, das sind doch alles europäische Spitzenmannschaften." Damit der Klub in der neuen Klasse noch eine Weile verbleibt und den Abstieg vermeidet, arbeitete der Geschäftsführer zuletzt 12 bis 16 Stunden pro Tag. Präsident Dieter Krein erging es ähnlich.

Es gab auch einiges zu tun. Die beiden Hauptverantwortlichen stockten den Etat des Aufsteigers auf 35 Millionen Mark auf. Sie erhöhten den Mitarbeiterstab der Geschäftsstelle von sechs auf zwölf, ließen im Stadion der Freundschaft eine neue Rasenheizung verlegen und richteten ein Call-Center zur Fan-Betreuung ein. Von der Zusammenstellung der neuen Mannschaft einmal ganz zu schweigen. Rückblickend sagt Klaus Stabach: "Es war manchmal ein bisschen zu viel."

Noch immer staunen die Verantwortlichen von Energie Cottbus darüber, was seit dem Aufstieg über den Verein hereinbricht. Wenn Krein gegenüber der Zeitschrift "Super-Illu" die Führungskräfte des FC Bayern als "Sabbelköpfe" bezeichnet, weil sie den Nationalmannschafts-Verweigerer Stefan Effenbergs nicht rausschmeißen, findet er plötzlich seine Ansichten in allen großen Zeitungen Deutschlands wieder. Geschäftsführer Stabach wundert sich etwas: "Nationalmannschaft und FC Bayern - das sind doch gar nicht unsere Themen." Die gleiche überregionale Resonanz fanden Äußerungen von Trainer Eduard Geyer, der offenbart hatte, dass ihn Spieler mit drei Ohrringen oder Pferdeschwanz "ankotzen". Überhaupt hat Energie mit der Presse gegenwärtig ein paar Probleme. Dem Korrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" will Präsident Krein wegen eines Berichtes Stadionverbot erteilen. Und über die "eigene Presse", gemeint sind die lokalen Berichterstatter, musste er sich auch schon beklagen. Ein Maulkorberlass für die Spieler stand sogar zur Diskussion. Nein, beim östlichsten Bundesliga-Klub der Republik ist man ein wenig verunsichert, wie man mit dem neuen Status umzugehen hat. Das gilt auch für die Leistungsstärke der Mannschaft. Einen ersten Fingerzeig verspricht das heutige Testspiel gegen Florenz.

Die Euphorie in der von Arbeitslosigkeit gebeutelten Region ist seit dem Aufstieg ungebrochen. Der Verkauf der Dauerkarten schnellte auf 11 000 Tickets hoch. In der letzten Zweitligasaison hatte es nur 1000 Interessenten gegeben. Jeden Tag wandern Cottbuser zur Vereinsanlage, nur um den Fortschritt der Bauarbeiten mitzuverfolgen. Und dann ist da noch besagte Party, mit der die Cottbuser die Bundesligasaison begrüßen wollen. Was vielleicht gar nicht so verkehrt ist. Wer weiß schon, ob es später noch mehr zu feiern gibt?

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