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Sport: Cowboys ohne Lagerfeuer

Die Westernreiter starten in die Saison – mit Prärie-Romantik wollen sie nichts zu tun haben

Er rast los, in vollem Galopp in Richtung Zaun. Gleich krachen Pferd und Reiter dagegen, schießt es dem Zuschauer durch den Kopf. Doch dann, knapp vor der Bande, rammt das dunkelbraune Pferd die Hinterbeine in den Sand, senkt sein Hinterteil so ab, dass es fast wie ein Hund aussieht, der „Sitz“ macht, der Sand spritzt hoch und, zack!, steht das Pferd. Nur eine Sekunde später senkt es den Kopf, kaut zufrieden und schaut aus, als ob es so schon seit einer halben Stunde rastet. War da eben was? Kaum.

Die Szene spielt beim Turnier „L. A. Grand Open“ in Leipzig. Es ist der Saisonstart der Profis der Westernreiter. Die Übung heißt „Sliding Stop“, also Gleitstopp, und gehört zu den Aufgaben, die Westernreiter bei ihrer Dressur zeigen müssen. Das Pferd, Ruf Dun it, ist ein Quarterhorse, eine amerikanische Rasse, und sein Reiter, Grischa Ludwig, einer der erfolgreichsten Western-Dressurreiter Europas.

Diese Disziplin, genannt Reining, wird auch bei den diesjährigen Weltreiterspielen in Aachen dabei sein, zum zweiten Mal überhaupt, erst 2002 wurde sie vom Weltreiterverband FEI zugelassen. „Das war endlich die Anerkennung, dass wir Leistungssport betreiben und keine Romantiker sind, die am liebsten durch den Wald reiten und dann ein Würstchen übers Lagerfeuer halten“, sagt Ludwig. Der Bundestrainer der Reiningreiter, Kay Wienrech, hofft, „dass dieser Erfolg ein weiterer Schritt in Richtung Olympische Disziplin ist.“

Die Atmosphäre ist in der Messehalle der Westernreiter schon ein bisschen anders als nebenan bei den Dressur- und Springreitern: „That’s where the girls are“, ein Countrylied, schallt leise durch die Arena. Auf den Rängen pfeifen die Zuschauer, um die Pferde anzufeuern – Reiningprüfungen werden ausschließlich im Galopp geritten, einhändig. Ab und zu klirrt es metallisch auf der Tribüne, dann kommt ein Reiter herauf, um seine Konkurrenten zu betrachten. Denn deren große Rädchensporen an den Stiefeln rasseln bei jedem Schritt. Das war’s auch schon an Cowboy-Anleihen: Jenseits der Prüfung trägt keiner Westernhut und Metallbeschläge auf der Kleidung. Sie legen Wert darauf, dass es Sport ist und kein Kostümfest.

Dass sich der Reitstil aus der Rinderarbeit der Cowboys entwickelt hat, sieht man aber auch heute noch an den Übungen: Beim „Spin“ muss das Pferd mit den Vorder- um die Hinterbeine herumwirbeln, manche machen das so schnell, dass ihre Konturen vor den Augen des Zuschauers verschwimmen. „Es ist die schnellste Art der Drehung“, erklärt Ludwig, „das brauchte man, wenn das Rind seine Richtung wechselte.“

Woran erkennt ein Laie, ob ein Reiter gerade gut oder eher schlecht ist? „Je weniger Hilfen man sieht, desto besser“, antwortet Ludwig. Die Zügel sollen locker durchhängen, und der Reiter sollte kaum merkbare Anweisungen mit Gewichtsverlagerungen, Stimme und Schenkeldruck geben. Alles soll aussehen wie von selbst, auch zwischen den Übungen. „Für uns wäre es eine Katastrophe, wenn ein Pferd sich so aufregen würde, wie das manche Springpferde zwischen den Sprüngen machen“, sagt er. Westernpferde sollen immer gelassen bleiben, deshalb hat Ruf Dun it es gelernt, sofort nach seinem Galoppsprint wieder abzuschalten. Für Ludwig ist das die Faszination am Westernreiten: „Dass ich mein Pferd wie einen Lichtschalter an- und ausknipsen kann.“ Als Fluchttier muss ein Pferd das erst lernen, zudem achtet man in der Quarterhorse-Zucht auf diese Eigenschaften.

Der Hauptunterschied zur englischen, klassischen Dressur sei „diese andere Art von Explosivität“, so Grischa Ludwig. „Bei einem Spin würden sich Dressurpferde alle Beine brechen“, sagt er lachend, „aber unsere sind eben für die schnellen Drehungen gezüchtet“. Es wären eben unterschiedliche Aufgaben, „man will ja auch nicht aus einem Basketballer einen Gewichtheber machen“.

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