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Sport: Das Ende der Vergangenheit

Der Zweitligist Energie Cottbus entlässt Trainer Eduard Geyer

Die letzte Frage, die Eduard Geyer in seiner Funktion als Trainer von Energie Cottbus beantworten musste, war die nach seinem Fahrplan für die letzten drei Spiele bis zur Winterpause. „Neun Punkte“, antwortete Geyer. Der Fahrplan der Vereinsführung sah zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon anders aus: 19 Stunden nach der 1:2-Niederlage gegen Alemannia Aachen gab der Fußball-Zweitligist gestern die Trennung von Geyer bekannt – nach mehr als zehn Jahren gedeihlicher Zusammenarbeit. Am Morgen hatten sich Präsidium und Verwaltungsrat getroffen. „Wir haben übereinstimmend festgestellt: So kann die Talfahrt nicht weitergehen“, sagte Präsident Dieter Krein.

Bis auf weiteres leitet Kotrainer Petrik Sander mit dem Assistenten Thomas Hoßmang das Training. Für einen neuen Cheftrainer fehlt dem Klub laut Krein das Geld. Der 60 Jahre alte Geyer verabschiedete sich am Mittag von der Mannschaft, mit Tränen in den Augen. Am Abend zuvor hatte er noch gesagt: „Wir stecken im Schlamassel. Jetzt müssen wir alle zusammen sehen, dass wir da rauskommen.“

Ohne Geyer, den letzten Nationaltrainer der DDR, hätte es den modernen FC Energie vermutlich gar nicht gegeben. Vor der Wende war der Klub so etwas wie der Karlsruher SC der DDR. Als Geyer am 1. Juli 1994 sein Amt in Cottbus antrat, spielte Energie in der Regionalliga. Während Traditionsklubs wie Jena, Magdeburg und Leipzig in der Bedeutungslosigkeit strandeten, führte Geyer Energie 1997 ins Pokalfinale und in die Zweite Liga . Drei Jahre später stieg er sogar in die Bundesliga auf, und entgegen allen Prognosen gelang Geyer mit der Mannschaft zweimal der Klassenerhalt. Von der Regionalliga in die Bundesliga – das war Geyers Werk. Nun fürchteten einige, dass Energie wieder auf dem Rückweg sei. Die Cottbuser liegen nur noch zwei Punkte vor einem Abstiegsplatz.

Eduard Geyer war eines der letzten Originale im Profifußball. Und er war die letzte Konstante in der jüngeren Geschichte des FC Energie, der immer mehr seine Identität zu verlieren drohte. „Cottbus hat viele gute Fußballer, aber wenige richtige Kerle“, sagte Aachens Stürmer Erik Meijer. Das ist die Negation all dessen, was man bisher von Energie Cottbus und seinem Trainer zu wissen glaubte. Insofern war die Trennung von Geyer ein folgerichtiger Schritt: Wenn Energie nicht mehr Energie ist, braucht Energie auch jemanden wie Geyer nicht mehr.

„Ich bin hier nie gerne hingefahren“, sagte Erik Meijer, der das Stadion der Freundschaft noch von den Bundesligaspielen mit dem Hamburger SV kennt. „Ich hatte immer das Gefühl, dass hier nichts zu holen ist.“ Am Montag hatte er dieses Gefühl nicht. Nur noch 6600 Zuschauer wollten das Spiel gegen Aachen sehen. Das war der schlechteste Besuch seit fast sechs Jahren.

Das Cottbuser Publikum ist ungeduldig geworden. Kaum war die Führung für die Aachener gefallen, riefen die Zuschauer: „Wir hab’n die Schnauze voll.“ Von der gefürchteten Einheit zwischen Spielern und Fans ist nichts mehr geblieben. Das Verhältnis ist auch deshalb gestört, „weil die Ansprüche gewachsen sind“, sagte der verletzte Kapitän Christian Beeck. Letztlich ist Eduard Geyer Opfer seiner eigenen Erfolge geworden. Nach drei Jahren in der Bundesliga hat ein Teil der Fans gedacht, die Bundesliga sei der Normalfall. Vor dem Anpfiff wurde im Fanblock ein Transparent entrollt: „Wer keine Zukunft hat, redet über seine Vergangenheit.“

Trotzdem waren die Kritiker des Trainers im Stadion in der Minderheit. Und auch aus der Mannschaft wurde Geyer gestützt. „Es liegt nur an den Spielern“, sagte Kapitän Gregg Berhalter. Der Ungar Zsolt Löw dachte am Montag sogar schon an das berüchtigte Wintertrainingslager mit Eduard Geyer: „Da müssen wir mal ordentlich trainieren und Taktik machen. Und ab Januar geben wir dann wieder Gas.“

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