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Sport: Das erfolgreiche Experiment

1994 wurde die Deutsche Eishockey-Liga belächelt, neun Jahre später steht sie besser da als je zuvor

Berlin. Der Anfang der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) war ein absurdes Schauspiel. Anfang September 1994 warf der einstige kanadische Weltklassespieler Bobby Hull im zugigen Augsburger Eisstadion den ersten Puck zum ersten Bully der neu gegründeten Liga ein. Hull fand die Szene in der schwäbischen Stadionbruchbude ein wenig unheimlich. Hier sollte die Taufe einer Liga, ganz nach dem Vorbild der größten Eishockey-Profiliga der Welt, der nordamerikanischen NHL, stattfinden? Unmöglich. „Was ist das denn hier wirklich?“, fragte der ältere Herr vor einem Interview einen Journalisten.

Zur Premiere spielten in Augsburg ausgerechnet die Maddogs München. Die waren derartig verrückt, dass sie bereits drei Monate später völlig verschuldet den Spielbetrieb einstellen mussten. Ein Prozedere, das sich zunächst als alltäglich erweisen sollte. Jahrelang wurde die DEL ihren Ruf nicht los, nicht mehr als ein unausgegorenes Experiment zu sein. Doch das war einmal. An diesem Wochenende geht die DEL in ihre zehnte Saison. Schon vor dem Jubiläumsjahr hat sie mit einem steilen Aufwärtstrend begonnen. 5500 Zuschauer verfolgten vergangene Saison im Schnitt die Spiele. So viel wie nie zuvor. Als einzige Sportart nach dem Fußball hat die DEL zwei Klubs, die mit ihren Zuschauerzahlen durchschnittlich im fünfstelligen Bereich liegen, Köln und Hamburg. Und Pleiten während der laufenden Saison? Die gab es schon seit 1998 nicht mehr.

Nach dieser Erfolgsstory sah es vor neun Jahren nicht aus. Die Liste der Kritiker an der DEL war lang, wurde doch mit ihrer Gründung Tradition zerstört, hatte doch das Eishockey als erste Sportart in Deutschland im Jahr 1958 eine Bundesliga gegründet. In der DEL war nun alles anders, die Klubs firmierten nun als Kapitalgesellschaften, Wirtschaftlichkeit sollte Vorrang haben, Pleiten sollten vermieden werden – in der Bundesliga hatte es insgesamt 16 Klubs erwischt.

Die Idee DEL schien gut, mit ihrer Realisation aber war das so eine Sache. Erst mal wurde geprasst. Der Tscheche Robert Reichel etwa bekam 1995/96 sein Gastspiel in Frankfurt mit zwei Millionen Mark brutto vergütet. Zum Vergleich: Heute erhält ein DEL-Spitzenspieler 300 000 Euro brutto pro Saison. Das Bosman-Urteil im Jahre 1995 sorgte zusätzlich für Ungemach. Immer mehr Ausländer drangen in die DEL. Nur noch eingefleischte Fans kannten die Stars in den Stadien. Talentierte deutsche Spieler hatten es schwer. Schwache Auftritte der Nationalmannschaft waren die Konsequenz.

Die Wende kam nach der Jahrtausendwende. Die Eishockeyweltmeisterschaft in Deutschland 2001 verhalf der Sportart zu einer ungeahnten Resonanz. Das als zweitklassig eingeschätzte Nationalteam kam fast sensationell ins Viertelfinale. Über 400 000 Fans sahen die Spiele in Köln, Hannover und Nürnberg – in modernen Großarenen, die auch der DEL zu einer Imageaufbesserung verhalfen. „Wir haben die Lehren aus den mit dem Bosman-Urteil verbundenen Fehlern gezogen“, sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. „Bei uns spielen mehr Deutsche als in jeder anderen Profiliga im Lande.“ Ab dieser Saison sind nur noch zwölf Ausländer pro Team erlaubt, vor fünf Jahren waren es 21.

Für die finanzielle Wende sorgten Mäzene, an die 1994 noch nicht zu denken war. Die DEL steht nicht mehr in dem Ruf, Tummelplatz profilneurotischer Funktionäre zu sein. Vornehme Zurückhaltung ist nun eher angesagt. Etwa bei Philip Anschutz. Dem Milliardär aus Denver gehören die Eisbären Berlin und die Hamburg Freezers. Wenn Anschutz ins Stadion kommt, wünscht er keinen Medienrummel. Im Vorjahr hat er die – finanziell erfolglosen – München Barons nach Hamburg verpflanzt, mit Erfolg: Die Freezers sahen in ihrer Premierensaison in Europas modernster Halle durchschnittlich 11 000 Zuschauer. Zahlen sind eben heutzutage bei vielen Klubs wichtiger als Tore. Auf die Frage, wem er diese Saison mehr Erfolg wünscht, den Eisbären oder den Freezers, antwortet Detlef Kornett, Europa-Chef bei Anschutz: „Dem Klub, der besser wirtschaftet.“ Das einmal Derartiges von einem DEL-Verantwortlichen zu hören sein wird, daran war, als Bobby Hull den Puck zum ersten Bully der DEL einwarf, kaum zu denken.

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