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Mit dem Herzen bei der Sache. Angel Di Maria wollte der Welt zeigen, dass das Endspiel im Maracana mit ihm vielleicht anders ausgegangen wäre.

© AFP

Argentinien schlägt Deutschland: Das kleine WM-Finale des Angel di Maria

Das WM-Finale hat er verpasst, zuletzt musste er unfreiwillig von Real Madrid zu Manchester United wechseln. Doch gegen Deutschland brilliert Angel di Maria.

Was es mit diesem Gauchotanz auf sich hat, wissen die Argentinier mittlerweile. Bis in den WM-Sommer hinein war dieses vom Brandenburger Tor in die ganze Welt gesendete Phänomen in Südamerika noch nicht bekannt, deswegen musste eigens eine neue Wortschöpfung kreiert werden. La Danza del Gaucho war Mitte Juli Gegenstand offizieller Noten zwischen den nationalen Fußballverbänden DFB und AFA. „Kein Problem, jede Nation feiert auf ihre Weise“, hat Argentiniens neuer Trainer Gerardo Martino nun in Düsseldorf erzählt. Und was die Mannschaft betrifft: „Martin Demichelis hat ja eine Weile in Deutschland gespielt und uns gleich gesagt, dass das alles nicht so schlimm ist.“

Ein Verlierer schert sich nicht um die Party des Siegers, im Gegenteil: Er will so wenig wie möglich davon wissen, weil er ja selbst gern gefeiert hätte. Nichts ist schlimmer, als Staffage zu sein für die Jubelarien der anderen. Insofern war es aus Deutscher Sicht keine glückliche Fügung, dass dieses erste Länderspiel nach Brasil 2014 die beiden WM-Finalisten wieder zusammenführte. „Das Finale ist vorbei, das ist eine andere Bühne. Es ist ihr Pokal und ihre Party“, sprach Angel di Maria in der Nacht von Düsseldorf. Umso lieber haben sie diese deutsche Party gestürmt, allen voran der überragende di Maria, Schütze des vierten argentinischen Tores und Vorbereiter der ersten drei.

Dass es bei der Neuauflage der WM-Feierlichkeiten gegen die Argentinier ging, war aus deutscher Sicht der eine Konstruktionsfehler. Der zweite war das Mitwirken des Angreifers Angel di Maria.

Natürlich ist so ein Freundschaftsspiel nur dem Namen nach eine WM-Revanche und kann nie echte Kompensation sein für eine Niederlage im wichtigsten Spiel der Welt. Aber mehr Emotionen als bei einem beliebigen Testspiel sind bei dieser Konstellation allemal im Spiel, vor allem beim Verlierer. Und wenn der bierselige Gauchotanz in Argentinien für etwas gut war, dann für die verlängerte Thematisierung der Niederlage und des Schmerzes. Erst recht bei einem wie Angel di Maria, der das Finale von Maracana wegen einer Verletzung verpasst hatte und beim sanften Remake zeigen durfte, welch glückliche Fügung das für die Deutschen war.

Der lange dünne Bursche war die überragende Figur auf dem Platz. Es ist auch im Rückblick durchaus umstritten, was das glanzvollste seiner zahlreichen Glanzstücke war: Diese mit dem Außenrist des linken Fußes gezirkelte Flanke auf Sergio Agüero, den Schützen zum 1:0? Oder, gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit, die Demütigung der kompletten Deutschen Abwehr, als di Maria in Folge eines perfektes Zuspiels von Javier Mascherano Tempo aufnahm und den Ball aus spitzem Winkel über Torhüter Roman Weidenfeller chippte? Kurz bevor Benedikt Höwedes herangerauscht kam und spektakulär ins Nirgendwo grätschte? Der Kollege Ezequiel Garay, verletzt in St. Petersburg geblieben, aber mit dem Herzen in Düsseldorf und dem Daumen am Smartphone, twitterte: „Gol del fideo di Maria.... 0 - 4 increíble!!!!“

El Fideo, die Nudel, lautet der nahe liegende Spitzname für den langen und dünnen di Maria daheim in Argentinien. Die Nudel hat unangenehme Tage hinter sich, und das liegt nicht nur am verpassten WM-Endspiel. Schon beim Champions-League-Finale in Lissabon hatte er groß aufgespielt und Real Madrid zum Sieg über den Stadtrivalen Atlético geführt. Di Maria wäre ganz gern in Spanien geblieben, aber dann verpflichtete Real für viel Geld den kolumbianischen WM-Helden James Rodriguez, und über die sich anschließende Farce seines Abschiedes kursieren unterschiedliche Versionen. Angel di Maria behauptet, ihm sei der Abschied trotz laufenden Vertrages gegen seinen Willen aufgedrückt worden. Reals Trainer Carlo Ancelotti entgegnete, da habe nur einer sein Gehalt in die Höhe treiben wollen, „das Geld war ihm wichtiger als der Fußball“.

Nach wochenlangem Gezerre zog di Maria weiter zu Manchester United, wo Louis van Gaal ihm die bei Real mutmaßlich vorenthaltene Wertschätzung doppelt entgegenbrachte. Erstens mit einer Ablösesumme von 75 Millionen Euro. Zweitens durch die Zuteilung des Trikots mit der Nummer 7, es wurde vorher schon von George Best und Cristiano Ronaldo getragen und ist in Manchester so wichtig wie Maradonas 10 in Argentinien. Zu gern will Angel di Maria den einen zeigen, wie gut das Geld angelegt ist – und den anderen, welchen Fehler sie begangen haben. Da war die Düsseldorfer Bühne allemal groß genug für Grüße nach Manchester und Madrid. Mit dem größten Vergnügen hat er auf dieser Bühne getanzt. Gern auch als Gaucho, obwohl Angel di Maria aus der Industriestadt Rosario kommt und dort niemand mehr zu Pferde unterwegs ist.

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