zum Hauptinhalt

Sport: Den Ball ins eigene Tor geworfen

Südkoreas Handballer fühlen sich erneut bei einem Qualifikationsturnier betrogen und beklagen Korruption in Asiens Verband

Berlin - Normalerweise, versichert Kyung-Shin Yoon, „gewinnen wir gegen Kuwait mit zehn Toren“. Im September jedoch war alles anders. Als der koreanische Handballstar vom HSV Hamburg, der siebenmalige Torschützenkönig in der Bundesliga, mit seiner Nationalmannschaft ins japanische Toyota reiste, um dort das Olympia-Ticket für Peking zu lösen, war die Fachwelt verblüfft. Südkorea verlor das Auftaktspiel gegen Kuwait mit 20:28 – weil die jordanischen Schiedsrichter Alshobali/Hirzallach die Koreaner, wie alle neutralen Zeitzeugen und die Videobilder bestätigen, mit dreisten Entscheidungen um den Sieg betrogen. „Das war kein Handball mehr“, klagt Yoon. Der ansonsten zurückhaltende 34-Jährige spricht von „Betrug“ und „Manipulation“. „Wir konnten nichts machen. Alles wurde gegen uns entschieden.“

Derlei Korruption hat bei den asiatischen Qualifikationen Tradition. Böse verpfiffen wurden die Koreaner bereits im Iran, als es um die WM-Teilnahme 2003 ging. Damals war die Benachteilung so krass, dass die Koreaner irgendwann dazu übergingen, aus Protest den Ball ins eigene Tor zu werfen. Die Konsequenz: Seither schickt die IHF offizielle Beobachter zu den Turnieren. Wie sich nun zeigt, ohne Erfolg. Selbst der anwesende IHF-Supervisor Alexander Koschukow musste dem Skandalspiel machtlos zusehen. „Das ist kein Sport“, soll Koschukow während der Partie gezischt haben, so hat es zumindest Noriyuki Ichihara, Vizepräsident des japanischen Handball-Verbandes, Zeitungen gegenüber berichtet. „Jetzt bemüht Euch mal um Fairness und Korrektheit“, habe Koschukow die jordanischen Schiedsrichter zudem in der Halbzeit angeherrscht. Unternehmen will die IHF trotz des offenkundigen Sportbetrugs nichts. „Kuwait hat zurecht gewonnen, das Ranking in Japan ist in Ordnung“, so resümierte IHF-Geschäftsführer Frank Birkefeld den Bericht Koschukows, eine Neuansetzung sei „nicht nötig“.

Alarmierte deutsche Handballfunktionäre sehen das anders. „Das sind sportpolitische Entscheidungen, die mit Fairplay nichts zu tun haben“, schimpft Rainer Witte, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes. Und für Frank Bohmann, Geschäftsführer der deutschen Liga, „schadet das dem Handball. Das muss in der IHF Konsequenzen haben.“ Dass sich etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Als Drahtzieher der seit Jahren gängigen Manipulationen gilt schließlich der kuwaitische Scheich Ahmed Al-Fahad Al Sabah, der Präsident des Asiatischen Kontinentalverbandes (AHF), er wird von Funktionären als Kopf einer allmächtigen Golfstaaten-Allianz im Handball bezeichnet. Damit die Schiedsrichter den Landsleuten wohl gesonnen sind, lassen die Scheichs, verraten Insider, manchmal Geld verteilen. Oder aber die AHF-Funktionäre arbeiteten mit der Drohung, dass die Referees im Falle des kuwaitischen Misserfolgs nie wieder schöne Reisen antreten dürfen.

Warum die IHF nicht auf die Machenschaften in Asien reagiert, ist in der Fachwelt ein offenes Geheimnis: Der Scheich gilt als guter Freund des ägyptischen IHF-Präsidenten Hassan Moustafa, hat ihm beispielsweise mit den asiatischen Stimmen anno 2000 zur Wahl verholfen – mit unlauteren Mitteln, wie Moustafas Gegner damals zürnten. Perfekt macht den sportpolitischen Skandal, dass die IHF, wie Birkefeld bestätigt, den besorgten Südkoreanern zuvor schriftlich versprochen hatte, die deutschen Schiedsrichter Lemme/Ullrich werden die Partie gegen Kuwait leiten. Die beiden Magdeburger, Leiter des WM-Finales 2005, nahmen tatsächlich die Reise um die halbe Welt auf sich – und waren erstaunt, als sie drei Stunden vor Anpfiff vom Einsatz der Jordanier erfuhren.

Darauf reagierten die Koreaner heftig. Die Handballfunktionäre organisierten eine Demonstration vor der kuwaitischen Botschaft in Seoul. Und das koreanische Olympische Komitee hat sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wegen der Korruption im Handball beschwert – direkt beim Präsidenten Jacques Rogge. Ob das ausreicht, den Sumpf der Korruption im Welthandball auszutrocknen, ist offen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false