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Abgehoben. Die Spieler vom Titelverteidiger Borussia Dortmund feiern schon wieder, diesmal den 3:1-Sieg über den Hamburger SV. Foto: Reuters

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Sport: Der 35. Spieltag

Borussia Dortmund verlängert die alte Saison – und scheint diesmal noch stärker zu sein

Die Spieler des Hamburger SV ließen definitiv zu viel Vorsicht walten. Gut 20 Meter vor der Kurve endete ihr Weg: Abstand halten, einmal winken – Pflicht erfüllt. So sieht Fanbetreuung in der Regel nach einer Niederlage aus. Aber die HSV-Profis hätten ruhig näher treten dürfen. Die Hände ihrer Fans wirbelten durch die Luft, „olé olé“, sangen sie, ihre Stimmung schien prächtig. Es gibt eben Niederlagen, die sich wegen ihrer Unvermeidlichkeit gelassen ertragen lassen. Das 1:3 des HSV beim Deutschen Meister Borussia Dortmund war so eine. „Der BVB setzt einen Maßstab, den wir im Moment überhaupt nicht erreichen können“, sagte Michael Oenning, der Trainer des Verlierers. „Und ich bin mir nicht sicher, ob viele Gegner dem etwas entgegensetzen können.“

Dortmunds Torhüter Roman Weidenfeller wurde nach dem Auftakt gefragt, ob das wirklich das erste Spiel der neuen Saison gewesen sei oder doch der 35. Spieltag der alten. Gute Frage. Eklatante Unterschiede zum Meisterjahr waren nicht auszumachen; und wenn doch, dann eher in eine Richtung, welche die Konkurrenz irritieren muss. Die Dortmunder haben schon in der vergangenen Saison das Klassement mit beängstigender Leichtigkeit beherrscht, und jetzt reichte Bundestrainer Joachim Löw ein einziger Auftritt des BVB zu der Feststellung: „Vielleicht sind die Dortmunder sogar noch stärker als in der letzten Saison.“

Das schien nicht selbstverständlich, als im Mai bekannt wurde, dass der Klub seinen leitenden Strategen Nuri Sahin verlieren würde. Dieser Verlust aber scheint durch Ilkay Gündogan hinreichend kompensiert, und auch die Ausfälle der Stammspieler Subotic, Schmelzer und Barrios fielen gegen den HSV nicht weiter ins Gewicht. Die Dortmunder wirken in der Breite besser besetzt als in der Vorsaison, als Trainer Jürgen Klopp im Grunde nur mit einer Stammelf plus den beiden Edelreservisten Blaszczykowski und Lewandowski durch die Liga rauschte. Gegen den HSV schickte Klopp erst in der Schlussviertelstunde seinen Kapitän Sebastian Kehl aufs Feld und mit ihm den 5,5-Millionen-Euro-Einkauf Ivan Perisic. „Und ich hätte noch drei Jungs einwechseln können, die richtig gut sind“, sagte er.

Die Hoffnungen der Konkurrenten beruhen darauf, dass in Dortmunds aufgemotztem Kader ein gewisses Konfliktpotenzial schlummert und individuelle Unzufriedenheit den Betriebsfrieden stören könnte. Eine vage Hoffnung. „Das wird kein Thema werden“, sagt Klopp. Nach den Erfahrungen der Vorsaison steht nicht zu vermuten, dass Dortmunds Trainer zum radikalen Rotierer wird. Alles in allem bietet der BVB auch in dieser Spielzeit wenig bis gar keine Angriffspunkte. Es wäre zwar nicht besonders seriös, aus dem ersten von 306 Spielen bereits allgemeingültige Erkenntnisse abzuleiten, aber wenn es die hochgerüsteten Bayern nicht gäbe, müsste man für die Bundesliga wohl das Vettel-Syndrom fürchten: Da gibt es einen, der für den Rest einfach zu schnell, zu gut und zu dominant ist.

Als die Dortmunder sich in der Vorsaison anschickten, die Liga zu beherrschen, wurde ihre Klasse vor allem auf die körperliche Komponente reduziert: Die verausgaben sich einfach bis zum Letzten, laufen wie die Wahnsinnigen und zermürben damit ihre Gegner. Mehr und mehr aber macht sich die Erkenntnis breit, dass beim BVB darüber hinaus auch eine ganz besondere fußballerische Klasse wirkt. „Wir spielen überragend nach vorne“, sagte Kevin Großkreutz, der gegen den Hamburger SV das 1:0 und das 3:0 erzielte. Gemeinsam mit Mario Götze und Shinji Kagawa bildete der Nationalspieler eine offensive Dreierreihe, die in der Bundesliga ihresgleichen sucht.

„Vorne ist einfach die Qualität vorhanden, um auch eine diszipliniert tief stehende Mannschaft auszuhebeln“, sagte Innenverteidiger Mats Hummels. Mit dem Rückkehrer Kagawa hat das Spiel des Meisters noch einmal an Qualität gewonnen; am Freitag aber hinterließ Mario Götze einen noch eindringlicheren Eindruck. „Er ist für mich der beste Fußballer der Bundesliga“, sagte Hamburgs Stürmer Mladen Petric. Einen so starken 19-Jährigen habe er in Deutschland nie gesehen.

Das Zusammenspiel zwischen Götze und Kagawa kommt für die Konkurrenz einer Überforderung gleich. „Die beiden mögen sich“, sagte Trainer Klopp, „und sie sind nette Kerle.“ Trotzdem bat er sie unter der Woche zu einem klärenden Gespräch, rein prophylaktisch. Klopp mahnte seine Künstler zur Zielstrebigkeit, „man kann sich auch verstricken, wenn man immer den anderen sucht“. Einen konkreten Anlass für die Belehrung gab es nicht, Klopps Botschaft aber scheint angekommen zu sein. Götze bereitete beide Tore von Kevin Großkreutz vor, das dritte erzielte er selbst.

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